Saemtliche Werke von Jean Paul
leichter in die kartesianischen Wirbel des neuen, der Visiten und Freuden springen und sich von ihnen drehen lassen; – zweitens konnt’ er da mit seiner Geliebten, der Ministerin , besser zusammenleben, die alle Tage hinkam und welche der Liebe die Tugend und die Liebe der Assembleen-Jagd aufopferte – drittens ist die zweite Ursache nicht recht wahr, sondern er machte sie der Ministerin nur weis, weil er noch eine dritte hatte, welche Beata war, die er in ihrem Schlosse aus dem seinigen zu beschießen, wenigstens zu blockieren vorhatte. – – Fort mußt’ er also; aber Gustav sollte auch mit.
»Das ist den Augenblick zu machen,« (dachte Oefel) »er soll mich am Ende selber um das bitten, um was ich ihn bitte.« Ihm war nichts lieber als eine Gelegenheit, jemand zu seinem Zweck zu lenken – das Lenken war ihm noch lieber als das Ziel, wie er in der Liebe die Kriegzüge der Beute vorzog. Er hätte als Gesandter aus Krieg Frieden und aus Frieden Krieg gemacht, um nur zu unterhandeln. – Er zog, um Gustaven nahezukommen, seine erste Parallele, d.h. er stach ihm mit seiner spitzen Zunge ein schönes Bild der Höfe aus: daß sie allein das savoir vivre lehren und alles und das Sprechen, wie denn auch die Hunde, je kultivierter sie sind, desto mehr bellen, der Schoßhund mehr als der Hirtenhund, der wilde gar nicht – daß durch sie ein Paradieses-Strom von Freuden brause – daß man da an der Quelle seines Glücks, am Ohre des Fürsten und am Knoten der größten Verbindungen stehe – daß man intrigieren, erobern etc. könne. Es war in Oefels Plan, dem kleinen Großsultan nicht einmal die Möglichkeit, ins alte Schloß mitzukommen, zu verraten: »Um so mehr reiz’ ich ihn«, dacht’ er. Es ging aber nicht mit dem Reizen, weil Gustav noch nicht aus den poetischen Idyllen-Jahren, wo der aufrichtige Jüngling Höfe und Verstellung hasset, in die abgekühlten hinüber war, wo er sie sucht. Oefel studierte, wie Hofleute und Weiber, nur Einzelwesen, nicht den Menschen.
Nun wurde die zweite Parallele gezogen und der Festung schon näher gerückt. Er ging einmal an einem Vormittage mit ihm in den Park spazieren, als er gerade die Residentin da zu treffen wußte. Während er sie unterhielt, beobachtete er Gustavs Beobachten oder errötendes Staunen, der noch in seinem Leben vor keiner solchen Frau gestanden war, um welche sich alle Reize herumschlangen, verdoppelten, einander verloren, wie dreifache Regenbogen um den Himmel. Und du, Blumen-Seele, Beata, deren Wurzeln auf dem irdischen Sandboden so selten die rechte Blumenerde finden, standest auch dabei, mit einer Aufmerksamkeit auf die Residentin, die eine unschuldige Maske deiner kleinen Verwirrung sein sollte. – Gustav brachte für seine große keine Maske zustande. Oefel schrieb diese Verwirrung nicht wie ich der gegenseitigen Erinnerung an die Guido-Bilderstürmerei, sondern die Gustavische der Residentin, und die weibliche sich selber zu.
»So hab’ ich ihn denn, wo ich ihn haben will!« sagt’ er und ließ sich von ihm bis ins alte Schloß bereiten. »A propos! Wenn wir nun beide dablieben!« sagt’ er. Die aus anderen Gründen herausgeseufzete Antwort der Unmöglichkeit war, was er eben begehrte. »Gleichviel! Sie werden mein Legationsekretär!« fuhr er mit seinem feinen, auf Überraschung lauersamen Blicke fort, den er eigentlich niemal mit einem Augenlide bedeckte, weil er stets alles zu überraschen glaubte.
– Es lief aber einfältig für Oefel ab: Gustav wollte nicht, sondern sagte: nie ! sei es nun aus Furcht vor Höfen, vor seinem Vater, aus Scham der Veränderung, aus Liebe der Stille; kurz Oefel stand dumm vor sich selber da und sah den schwimmenden Stücken seines gescheiterten Baurisses nach. Es ist wahr, es blieb ihm doch der Nutzen daraus, daß er den ganzen Schiffbruch in seinen Roman tun konnte – nur aber der Sekretär war fort! – Er hatte ihn auch nicht unvernünftig schon im voraus zum Gesandtschaft-Sekretariat voziert; denn an den Scheerauer Thron ist eine Leiter mit den tiefsten und den höchsten Ehrensprossen angelehnt, die Staffeln aber stehen sich so nahe, daß man mit dem linken Beine auf die unterste treten und doch die höchsten noch mit dem rechten erspannen kann – wir hätten ja beinahe einmal einen Oberfeldmarschall erschaffen. Zweitens hängt und picht an Höfen wie in der Natur alles zusammen, und Professores sollten es den kosmologischen Nexus nennen; jeder ist Last und Träger zugleich; so klebt am Magnet
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