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Saemtliche Werke von Jean Paul

Saemtliche Werke von Jean Paul

Titel: Saemtliche Werke von Jean Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Paul
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nach entgegengesetzten Richtungen wenig durch mich passieren . Ich wandele daher hinter den Pflugscharen aller Auenthaler, um den Broden der Furchen – wie die besten britischen Hektiker tun – einzuziehen als Mittel gegen meine Luftsperre und andere Sperre . Gleichwohl würde mich das einfältige Publikum, in dessen Dienst ich mich so elend gemacht, auslachen, wenn es mich den Pflug-Ochsen wie eine Krähe nachschreiten sähe. Ist das Rechtschaffenheit? – Muß ich nicht ohnehin alle Nacht zwischen den Armen von zwei Pudeln schlafen, die ich mit meiner Lungensucht anstecken will, wie ein Ehemann von Stande? Bin ich aber dann, wenn ich die zwei Beischläfer durch Nacht- und Morgengabe mit meinem Übel dotiert habe, des Malums selber los, oder sagt nicht vielmehr Herr Nadan de la Richebaudière, neue Hunde müßt’ ich kaufen und infizieren, weil eine halbe Hunde-Menagerie zum Auslader eines einzigen Menschen nötig ist? So kann ich mein Honorar bloß in Hunden vertun. Ich will den Schaden sogar verschmerzen, den meine Rechtschaffenheit dabei leidet, weil ich mich gegen die armen einsaugenden Hunde, deren Lungenflügel ich lähmen und beschneiden will, so freundlich wie Große gegen die Opfer ihrer Rettung stellen muß.
    Inzwischen ist doch das noch das verdrüßlichste Skandal, daß ich gegenwärtig im – Viehstall schreibe; denn dieser soll auch (nach neuern schwedischen Büchern) eine Apotheke und einen Seehafen gegen kurzen Atem abgeben. Meiner wollte sich indes noch nicht verlängern, ob ich gleich schon drei Trinitatis hier sitze und drei lange Sektores (gleichsam Josephs-Kinder) am Geburtorte viel dümmerer Wesen in die Welt setze. Man muß selber an einem solchen Orte der Hektik wegen im juristischen oder ästhetischen Fache (weil ich beides Belletrist und Rechtskonsulent bin) gearbeitet haben, um aus Erfahrung zu wissen: daß da oft die erträglichsten Einfälle viel stärkere Stimmen als die der literarischen und juristischen Richter gegen sich haben und dadurch zum Henker gehen.
    Während Fenk und Gustav mehr Traurigkeit als Geld verreiseten, ob sie gleich nicht so lange ausblieben wie alle meine inrotulierten Akten: so ging auch Oefel weiter, nämlich in seinem romantischen Großsultan, und tockierte mit dem größten Vergnügen den Kummer seines Freundes hinein. Oefel dankte Gott für jedes Unglück, das in einen Vers ging, und er wünschte zum Flor der schönen Wissenschaften, Pest, Hungernot und andre Gräßlichkeiten wären öfter in der Natur, damit der Dichter nach diesen Modellen arbeiten und größere Illusion daraus erzielen könnte, wie schon den Malern, welche geköpfte Leute oder aufgesprengte Schiffe malen wollten, mit den Urbildern dazu beigesprungen wurde. So aber mußt’ er oft aus Mangel an Akademien selber seine sein und war einmal einen ganzen Tag genötigt, tugendhafte Regungen zu haben, weil dergleichen in seinem Werk zu schildern waren – ja oft mußt’ er eines einzigen Kapitels wegen mehre Male ins B— gehen, welches ihn verdroß.
    Es geht andern Leuten auch so: der Gegenstand der Wissenschaft bleibt kein Gegenstand der Empfindung mehr. Die Injurien, bei denen der Mann von Ehre flutet und kocht, sind dem Juristen ein Beleg, eine Glosse, eine Illustration zu dem Pandekten-Titel von den Injurien. Der Hospital-Arzt repetiert am Bette des Kranken, über welchen die Fieberflammen zusammenschlagen, ruhig die wenigen Abschnitte aus seiner Klinik, die herpassen. Der Offizier, der auf dem Schlachtfeld – dem Fleischhacker-Stock der Menschheit – über die zerbrochnen Menschen wegschreitet, denkt bloß an die Evolutionen und Viertel-Schwenkungen seiner Kadettenschule, die nötig waren, ganze Generationen in physiognomische Fragmente auszuschneiden. Der Bataillenmaler, der hinter ihm geht, denkt und sieht zwar auf die zerlegten Menschen und auf jede daliegende Wunde; aber er will alles für die Düsseldorfer Galerie nachkopieren, und das reine Menschen-Gefühl dieses Jammers weckt er erst durch sein Schlachtstück bei andern und wohl auch bei – sich. – So zieht jede Erkenntnis eine Stein-Kruste über unser Herz, die philosophische nicht allein. –
    Beata opferte fast ihre Augen dem Anteil auf, den sie an niemand anderem (wie sie dachte) nahm als an dem Hingeschiednen. Ihre schweren Blicke waren oft nach dem Eremitenberg gerichtet; abends besuchte sie ihn selbst und brachte dem Schlafenden das Letzte, was die Freundschaft dann noch zu geben hat, im Übermaß. So dringen also die

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