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Saemtliche Werke von Jean Paul

Saemtliche Werke von Jean Paul

Titel: Saemtliche Werke von Jean Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Paul
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hatte sich in Beatens Brust zu einem drückenden Seufzer gesammelt, den das laute Jagdschloß mit seinen Dunstkreisen einklemmte und mit dem sie reinere Ätherkreise suchte, um ihn an einem Grabe auszuhauchen und aus ihm den Stoff zu neuen einzuatmen. – Schwärmerisches Herz! du treibest mit deinen fieberhaften Schlägen freilich dein Blut zu reißend um und spülest mit deinen Güssen Ufer, Blumen und Leben fort; aber dein Fehler ist doch schöner, als wenn du mit phlegmatischem Getriebe aus dem stehenden Wasser des Blutes bloßen Fett-Schlamm anlegtest!
    Die Nachtwandlerin fuhr zusammen, da sie den schönen Schläfer sah; sie hatte im ganzen Garten, den sie in diesen stillen Minuten durchstrichen hatte, niemand vermutet und gefunden. Er lag auf einem Knie sanft zusammengesunken; sein blasses Gesicht wurde von einem schönen Traum, vom aufgehenden Monde und von Beatens Auge angestrahlt. Ihr fiel nicht ein, daß er sich vielleicht nur schlafend stelle; sie zitterte also um einen halben Schritt näher, um erstlich gewiß zu sein, wers wäre, und um zweitens mit vollem Auge auf der Gestalt zu ruhen, vor der sie bisher nur vorüberstreichen durfte. Unter dem Anschauen wußte sie nicht recht, wann sie es eigentlich endigen sollte. Endlich wandte sie ihrem Paradiese den Rücken, nachdem sie noch einmal ganz an ihn getreten war; aber unter dem trägen Rückwärtsgehen fiel ihr (ohne Schrecken) ein: »Er wird doch nicht gar tot sein?« Sie kehrte also wieder um und behorchte seine wachsenden Atemzüge. Neben ihm lagen zwei spitze Steinchen, so groß wie mein Dintenfaß; sie bückte sich zweimal neben ihm nieder (sie wollt’ es nicht auf einmal oder auch mit dem Fuße tun), um sie wegzunehmen, damit er nicht in ihre Spitzen hineinfiele….
    Wahrhaftig ein Alphabet oder 23 Bogen sollt’ ich mit diesem Auftritt vollzumachen haben; zum Glück geht er erst recht an, wenn er erwacht, und der Leser ist heute der glücklichste Mann….
    Sie war nun schon wie ein Veteran vertrauter mit der Gefahr und war so gewiß, er würde nicht erwachen, daß sie aufhörte, es zu befürchten, und beinahe anfing, es zu wünschen. Denn es fiel ihr ein: »die Nachtluft könnt’ ihm schädlich sein.« – Es fiel ihr ferner ein, wie beide Freunde so erhaben nebeneinander ruhten; und ihr blaues Auge befreiete sich von einem Tautropfen, von welchem ich nicht weiß, ging er für das außer der Erde pochende oder für das in ihr stillstehende Herz herab. Endlich machte sie ernsthafte Anstalten abzugehen, um überhaupt in der Entfernung ihn durch ein Geräusch zu wecken und um ihren Rührungen ohne Furcht seines Erwachens nachzuhängen. Sie wollte bloß noch bei ihm vorbeigehen (denn 4½ Schritte stand sie ab), weil sie auf der andern Seite des Berges hinunter mußte (sie hätte denn umkehren wollen). Sein Lächeln verkündigte immer größere Entzückungen, und sie war freilich begierig, wie es noch auf seinem Gesichte ablaufen würde, aber sie mußte den lächelnden Träumer verlassen. Da sie also zwei zögernde Schritte sich ihm genähert hatte, um sich mehre von ihm zu entfernen: so fing auf einmal die Orgel der einsamen Kirche von Ruhestatt, wo heute Ottomar begraben worden, mitten in der Nacht so ernst und klagend zu gehen an, als wenn der Tod sie spielte; und Gustavs Angesicht wurde plötzlich vom Widerschein eines innern Elysiums verklärt; und er richtete sich mit zugeschloßnen Augen auf, erhaschte schnell die Hand der erstarrenden Beata und sagte schlaftrunken zu ihr: »O nimm mich ganz, glückliche Seele, nun hab’ ich dich, geliebte Beata, auch ich bin tot.«
    Der Traum, der mit diesen Worten ausging, war der gewesen: Er sank in eine unabsehliche Aue nieder, die über schöne, aneinander gestellte Erden hinüberlief. Ein Regenbogen von Sonnen, die wie zu einer Perlenschnur aneinander gereihet waren, faßte die Erden ein und drehte sich um sie. Der Sonnenkreis sank untergehend dem Horizonte zu und auf dem Rande der großen runden Flur stand ein Brillanten-Gürtel von tausend roten Sonnen und tierliebende Himmel hatte tausend milde Augen aufgetan. – Haine und Alleen von Riesen-Blumen, die so hoch wie Bäume waren, durchzogen im durchsichtigen Zickzack die Aue; die hochstämmige Rose bewarf diese mit einem goldroten Schatten, die Hyazinthe mit einem blauen, und die zusammenrinnenden Schatten von allen bereiften sie mit Silberfarbe. Ein magischer Abendschimmer wallete wie ein freudiges Erröten zwischen den Schattenufern und durch die

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