Saemtliche Werke von Jean Paul
Lebensbeschreiber eingebrockt; denn letzter hat am Ende doch das meiste wegen der Schilderung heftiger Auftritte auszubaden und muß oft an solchen Sturm-Sektoren ganze Wochen verhusten. Ich wills dem Leser nur aufrichtig vorausgestehen: ein solcher Schwaden und Sturmwind ist schon am vorigen Freitag über das neue Schloß gesauset und am Sonnabend durch Auenthal und meine Stube gefahren, wo Gustav zerstöret zu mir kam und bei mir Nachricht einzog, ob die Rittmeisterin von Falkenberg, die mit ihrer Mitteltinten-Katze meinen ersten Sektor einnimmt und die bekanntlich Gustavs Mutter ist, ob die – sie wirklich sei…. Inzwischen wird doch mutig fortgeschritten; denn ich weiß auch, daß, wenn ich mein biographisches Eskurial und Louvre ausgebauet und endlich auf dem Dache mit der Baurede sitze, ich etwas in die Bücherschränke geliefert habe, dergleichen die Welt nicht oft habhaft wird und was freilich vorübergehende Rezensenten reizen muß, zu sagen: »Tag und Nacht, Sommer und Winter, auch an Werkeltagen sollte ein solcher Mann schreiben; wer kann aber wissen, obs keine Dame ist?«
Nun fället also auf allen nächsten Blättern das Wetterglas von einem Grad zum andern, eh’ der gedrohte Sturmwind emporfährt. Wie Gustav die abwesende Beata liebte, errät jeder, der empfunden hat, wie die Liebe nie zärtlicher, nie uneigennütziger ist, als während der Abwesenheit des Gegenstandes. Täglich ging er zum Grabe des Freundes wie zum heiligen Grabe, an den Geburtort seines Glücks, mit einem seligen Beben aller Fibern; täglich tat ers um eine halbe Stunde später, weil der Mond, das einzige offne Auge bei seiner Seelen-Vermählung, täglich um eine halbe später kam. Der Mond war und wird ewig die Sonne der Liebenden sein, dieser sanfte Dekorationmaler ihrer Szenen: er schwellet ihre Empfindungen wie die Meere an und hebt auch in ihren Augen eine Flut. – Herr von Oefel warf den Blick des Beobachters auf Gustav und sagte: »Die Residentin hat aus Ihnen gemacht, was ich aus dem Fräulein von Röper.« Hier rechnete er meinem Helden die ganze Pathognomik der Liebe vor, das Trauern, Schweigen, Zerstreuetsein, das er an Beaten wahrgenommen und woraus er folgerte, ihr Herz sei nicht mehr leer – er sitze drin, merk’ er. Mit Oefeln mochte eine umgehen, wie sie wollte, so schloß er doch, sie lieb’ ihn sterblich. – Gab sie sich scherzend, erlaubend, zutraulich mit ihm ab, so sagte er ohnehin: »Es ist nichts gewisser, aber sie sollte mehr an sich halten«; – bediente sie sich des andern Extrems, würdigte sie ihn keines Blicks, keines Befehls, höchstens ihres Spottes und versagte sie ihm sogar Kleinigkeiten, so schwor er. »unter 100 Mann woll’ er den herausziehen, den eine liebe: es sei der, den sie allein nicht ansehe.« – Schlug eine die Mittelstraße der Gleichgültigkeit ein, so bemerkter: »die Weiber wüßten sich so gut zu verstellen, daß sie nur der Satan oder die Liebe erraten könnte.« Es war ihm unmöglich, so viele Weiber, die in die Rotunda seines Herzens wollten, darin unterzubringen; daher steckt’ er den Überschuß sozusagen in den Herzbeutel , worin das Herz auch hängt, wie in einen Verschlag hinein – mit andern Worten, er verlegte den Schauplatz der Liebe vom Herzen aufs Papier und erfand eine dem Brief- und Papier-Adel ähnliche Brief- und Papier-Liebe . Ich habe viele solche chiromantische Temperamentblätter von ihm in Händen gehabt, wo er wie Schmetterlinge bloß auf – poetischen Blumen Liebe treibt – ganze Rotuln von solchen Madrigalen und anakreontischen Gedichten an Damen, welche (die Madrigale, nicht die Damen) sowohl die Süßigkeit als die Kälte der Geleen haben. So ist der Herr von Oefel und fast die ganze belletristische Kompagnie.
Da man nur vor Leuten, vor denen man nicht rot wird, sich selber lobt, vor gemeinen, vor Bedienten, vor Weib und Kindern; und da ers gegen Gustav im Punkte der Liebe tat: so war seine Eitelkeit einer lauteren Rache wert, als Gustav an ihm nahm; dieser malte sich bloß im stillen vor, wie glücklich er sei, daß er, indes andre sich täuschten oder sich bestrebten, das Herz seiner Geliebten zu haben, zu sich zuversichtlich sagen könne: »Sie hat dirs geschenkt.« Aber diese außergerichtliche Schenkung dem Nebenbuhler und Botschafter zu notifizieren, oder überhaupt jemanden, das verbot ihm nicht bloß seine Lage, sondern auch sein Charakter; nicht einmal mir eröffnete er sie eher, als bis er mir ganz andre Dinge zu eröffnen und zu
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