Saemtliche Werke von Jean Paul
sink’ ich hin in Betäubtheit, füle nichts. Blos mein Geist entschwebt der Erden Tiefen - fliegt mit der Verklärten gen Himmel - sieht sie im Unschuldsgewand, mit der lezten Trän’ über Leiden im Aug, vor dem [!] Alvater treten und knien - sieht die weinenden Engel ihr des Elendstränen [!] abwischen — sieht den Himmel vergnügt, eine neue Dulderin einzunemen. Liebreich tönt das Gold himlischer Saiten auf den Engelsharfen herab - lieblich säuselt es Külung von den wehenden Palmen herunter - Und ach! sie sieht, in Himmelsglorie drunten auf die Erde blikkend, den armen Abelard vom Schmerz gebeugt, vom Kummer durchnagt, knien, weinen, flehen - sie winkt, sie gebeut zu folgen - ich wil und füle der Erde Fesseln und erwache.
Ich bin meiner nicht mer mächtig; alles ist in mir verhült. Ich seh’ zum Fenster hinaus, auf zu dem sternvollen Himmel - — erblikke den blassen Mond, mit graulichdurchschimmerten Wölkgen, verschleirt, hineilen, seh wie er über die Unglüklichen. des Erdentals weint. Freund! es wird ruhiger in meiner Sele - — es wütet nicht mer so in derselben. Der Got, der alles liebt, hat auch sie mir entrissen - er wird wiedergeben, was er genommen hat; er wird verzeihen, wenn ich selbst ihr nacheile. Ich wil beten, daß er mich bald hinrufe zu meiner Entschlummerten - — Wie sie iezt iube[l]n wird bei den Kören der Verklärten - wie sie sich freuen wird, al dem Jammer so hurtig entgangen zu sein. Da liegt sie, auf dem Bett’ ihrer Ausdultung - so schön! so himlisch! Welche veredelte Physiognomie! Wie die Augen so sanft geschlossen sind - der Mund so ruhig — dieser tode Engel! - Abelard! lägst du doch neben ihr so! - Der Schmerz walt wieder auf — Ich wil Lerm machen, und ihren Tod ansagen! Leb’ wol Lieber! du wirst wenig Briefe mer empfangen! Ach! Ach! -
am 26. Dezemb.
Heut’ hab’ ich den Brief von meiner verstorbnen Heloise gelesen - — den Brief, we sie Abschied von mir nimt. Ich wil dir ihn abschreiben: du wirst weinen.
»Edler, betrübter Abelard!
Du wirst dieses Blat in die Hände nemen, wenn ich schon modere. Du vermutetest meinen Tod nicht, du glaubtest nicht, neulich mich zum leztenmal zu sehen; aber F. - Got verzeih’s ihm - hat alle deine Hofnung vernichtet. Geliebter! wir waren einst glüklich, wir hoften, es in Zukunft noch mer zu sein - aber nun sind wir getrent, weit, weit getrent, bis ein woltätiger Tod dich wieder zu mir fürt. Bald schauder’ ich, den bittern Kelch des Todes zu trinken - bald hoff’ ich auf seine Ankunft, sene mich, ihn zu umfangen. Got! hilf mir! - Und du, edler Jüngling, lebe wol. Du wirst viel dulden müssen. Mein Tod wird dein Innerstes zerreissen. Oben in ienen seligen Höhen werd’ ich wandeln, und du wirst unten im Tränental seufzen -ich werd’ Himmelsfreuden gemessen, und du wirst deine Tag’ in Tränen verleben. Wenn nach diesem Leben noch Erinnerung des vorhergenossenen Daseins stat findet, ach! dan wird oft deine Heloise, mitten unter der zaubernden Musik höherer Geister, unter den Kören der mitweinenden, edlen Engel - mitten in der Geselschaft des Menschenfreundes, den ich bald anbeten werde - mitten unter diesem allem wird sich der Gedank’ an den Abelard, der traurig auf Erden wandelt, in alle meine Freuden mischen, mitten unter den Tränen, die die Entzükkung der Liebe Gottes weint, wird eine trübe für dich, Herlicher! herabrollen - im Himmel werd’ ich an dich denken, dich zu mir wünschen. Geliebter! mir bricht’s Herz, dich lassen zu müssen. Aber las es sein. Bald werd’ ich dich umfangen in der Ewigkeit - — bald werd’ ich dir die Tränen vom Aug’ abwischen vor Got, vor Jesu, vor den Engeln. Besuch’ abend bei’m Mondenlicht meine Grabstätte, schöpfe Trost, nahe bei meiner eh’maligen Hütte zu sein, und hoffe, den Bewoner derselben bald zu umarmen. Blikke dan gen Himmel, und wenn’s den Seligen vergönt ist, ihre Geliebten und Freunde von oben zu betrachten, o! so wird deine ehmalige Geliebte oft in den weissen Wölkgen im Lichtgewand erscheinen, Tröstung dir zuwinken. Dan wird’s in des Kirchhofs Bäumen todenleise rauschen, dan werden die Blümgen, die auf meinem Grabe blühen, im Mondenschimmer durch küle Lüfte geschwankt werden, und ein sanftes Schauern wird deine Wange belispeln; dan denke: hier ist der Geist Heloise’s. Ach! dan werd’ ich vor Got niederfallen, für dich beten, um deinen Tod flehen. Kom bald! Abelard! o mit Freuden wil ich dich umfangen - dan wird dies
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