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Saemtliche Werke von Jean Paul

Saemtliche Werke von Jean Paul

Titel: Saemtliche Werke von Jean Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Paul
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ist. Heute wurde sie begraben; wie stil wird sie ruhen! Ich wil dir al meine Empfindungen bei ihrem Begräbnisse mitteilen. Um die Zeremonie mitzumachen, must’ ich mich schwarz ankleiden, und in Flor verhüllen! Ach! lieber ein weisses Unschuldsgewand, um einen Engel zu betrauren! - Ich must’ al das leidige Kondoliren mit anhören - Kondoliren - mit lachendem Munde - schöner Kontrast! Fischer, ihr Mörder, hätte wol selbst mit kondolirt. Aber ich nam mir vor, mich al der lästigen Gebräuche zu begeben. Ich war stum - Nur meinen Schmerz dacht’ ich - an keinen Wolstand! Got! wenn’s Innerste zerrissen ist, sol man komplimentiren, Ström’ nicht[s]sagender Worte fliessen lassen, und heucheln? - Als ich so da stand, und man vor dem Hause die Leichenarien zu singen anfieng, we iedes Wort den Armen mit Dolchstichen verwundete, iedes Wort so dumpf in den sinkenden Geist tönte, als die Sele bei den ziehenden Klagtönen der Sänger so innig fortiammerte, tief im zerrissenen Busen das blanke Schwerd fülte — als dan der Leichenzug angieng, als ich sah al meine Wonn’ in ein hölzernes Gehäus verengt - mit schwarzem Leichtuch umhült - hin, hintragen, und ich hinterdrein schlich mit verstörtem Blik, zeriammerter Sele - als die Flöre vom Wind’ in die Höhe geiagt wurden, und schwebten — und als es bei dem Garten vorbeigieng, we ich etliche Monate vorher mit der Verstorbenen Hand in Hand, weinte, und ich mich dan der Red’ erinnerte, die sie an mich hielt, da ich auf Universitäten gieng, da sie sagte, weinend, vol edlen Gefüls sagte: wir werden Wiedersehen, Wiedersehen —
    als das al mich umfaste, ha! da stürzt’ ich hin in Nacht des Schmerzens - kein Sin empfand - die Sele war umfinstert - im grauen Nachtdunkel brausten des Sturmes Wogen - ach! da hätt’ ich mich, wenn ich gekont hätte, hin in den strömenden Flus gestürzt, al meine Qualen geendet — Und als man weiter in den Gottesakker kam, und ich al die beschneiten Hügel der Gräber erblikte, und droben neben kalen, beeisten Lindenbäumen die frische Erde des neuaufgeworfenen Grabes sah, und als ich näher kam, we ihre Grabstätte sein solte, und hin an seinen Rand schritte, und hinunter sah, und hinein starte mit wildem Blik, und dies kalte Haus schauete, und dachte: kül!
    eng! bist du! da verwesen al meine Wünsche? hier?… hier modert, schlummert, verstäubt sie? — und als der Geistliche sich vor die Bare stelte, unter dem freiem Himmel mit lauter Stimm’ über den Gottesakker hin von Eitelkeit predigte, und’s tief in mir rufte: eitel! eitel ist alles! Lieben und Hassen! Freud’ und Weinen! eitel! vor etlichen Monaten war al dies anders -
    - — und als das Gewimmel der Schneflokken vom Himmel herab die schwarze Bar’ überschneite, und man den Sarg von der Bar’ herunterhob, die Seil’ über’s Grab breitete, die den Sarg hinunterlassen solten, und als der Dekkel abgehoben wurde, um die Erblaste im Grabschmuk den Leuten zu zeigen, und ich durch’s tränengetrübte, blöde Aug’ ihre weisse Hand erschaute, die so oft in meiner ruhte, die ich so oft drükte, und diese Hand in den veriammerten Geist al die genossene Freuden wiederhindämmerte, und sie schmerzlich aufglühten im Verlassenen, -
    - — als ich dan hinunter in’s enge Haus, in’s küle Grab meine Heloise — Heloise - ach! — sinken sah und in die Tiefe so schnei der Sarg fiel, und die Seil’ unter ihm wieder hervor gerolt wurden, und die Todengräber mit Schaufeln die gefrorne Erd’ hinunter schollerten, und die Erdklumpen auf dem holen Sarg wiedertönen, und’s graulich aus der Gruft herausdumpfete, und der Schal mir wie Abschiedsstimme der Geliebten vorkam, und das Grab gefült ward, und der Gräber mit Füssen den Boden zustampfte, und ich sie dachte, hart unter der Last der Erde, eng, verschlossen — weg von mir - als - als - als - dan, dan hült’ ich mich in den Todenmantel, verbarg Kopf und Brust, lies wüten die Unglüksgewitter, schrit hinunter in’s Todestal —   — sente mich - drang - - - aber aber ich durfte, konte nicht —   — Noch atm’ ich!
     
     
    am 29 Dezemb.
    Ein wenig bin ich wieder ruhiger. Aber oft hab’ ich Anfälle des Schmerzens; dan bin [ich] im Stande, mir das Pistol an die Stirne zu drükken - Aber wenn ich wieder kälter bin, und mein Vorhaben überdenke, so schauder’ ich. Ich habe nicht Kräfte genug, dies auszufüren; oder vielmer, mein Jammer ist noch nicht gros genug, mich zu dieser Tat zu drängen. Der erste

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