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Saemtliche Werke von Jean Paul

Saemtliche Werke von Jean Paul

Titel: Saemtliche Werke von Jean Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Paul
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beängstete Herz nicht mer in einem kummervollen Busen schlagen - ich werde mich freuen - — freuen - Dulde! weine; aber tobe nicht! Bald wird dein Leben verrauschen! Lebewol! ich weine! zum leztenmal! sei glüklich. Dich erwartet
    Deine
    sterbende
    Heloise.«
     
    Wol zwanzigmal hab’ ich diesen Brief schon durchgelesen: ich werde des himlischen Trostes darinnen nicht sat. Ach! Freundin! dich must’ ich verlieren! eine so edle, so herliche Sele! Nun bist du da, we du dich hinwünschtest; droben wandelst du unter Engeln, mit unbeträntem Angesicht - du blikkest freier - — und dein Abelard leidet noch hier. Ach! der seufzet - schwer heraus, aus der beklommenen Brust. Lieber Got! wenn ich doch schon bei ihr wäre! Was bin ich der ganzen Welt mer nüzze? oder sie mir? Zu ieder Arbeit bin ich verdorben: ich habe gelebt, und nur für Heloise; sie ist tod, ich lebe nicht mer, für nichts auf der Welt. Einsam werd’ ich in meinem Gram herumgehen; nichts wird ihn lindern, als der Tod. Und der verzieht noch?
    In der Nebenkammer liegt ihr erblaster Körper. Dumpf klingt’s iezt aus dem mosigen Kirchturm zwölf Ur heraus. Hu! wie fürchterlich! ach! klänge die Glokke Todesklang, schallete sie, mich zu Grabe zu läuten!!! Vor sah’ ich die Anstalten, die man machte, sie auf morgen zu begraben: Es war abends. Da ergrief mich wieder der Jammer. Ich eilt’ auf diese Stube, verbarg das weinende Antliz - wolte gar nichts mer denken und empfinden, al meine Geisteskräft’ in Nacht umhüllen. Endlich fiel mir’s ein, die tode Heloise noch einmal zu sehen. Allein geh’ ich leise in’s Zimmer, we die Geliebte liegt. Sie war schon eingesargt. Das ganze Zimmer war vom Mond’ erleuchtet. Ich hob den Dekkel vom Sarg ab. In ein weisses Sterbkleid eingehült, lag sie drinnen. Jezt Lieber! wenn ich al das dir ausdrükken, malen könte, was so lebendig, so alumfassend meine sel’ erschütterte, als ich die Geliebte star, kalt, one sel’ und Empfindung, mit Moder und Verwesung erfült, vor mir liegen sah - — als es drängt’ in mir, zu ihr zu reden, und sie nicht hörte meine Stimme, nicht sähe mein Weinen - als ich so dachte, diese, mit der du so oft beisammen sassest, deren Gegenwart Wonnegefül in dein krankes Herz gos - ach! diese, nach der sich deine ganze Sele sente, diese schlummert hier, schlummert Todesschlaf - da liegt die Edle, nach viel tausend Kummer hat sie ausgerungen - hat sich hin in’s Wonneleben gekämpft - Gute!
    wie oft blikte dein trübes Auge tränenvol gen Himmel - hier ist’s geschlossen, tief in die Nacht verhült - Würmer werden’s bald durchfressen — ach! dieser blasrote Mund, wie oft eröfnet’ er sich, entzükkende Worte zu sprechen, iezt ist [er] stum, stum, bis Got ihn zum Lobgesang gegen ihn wieder öfnet — und diese Hand, die so kalt iezt in der meinigen ruht, ach! wie oft drükt’ ich sie, fülte Wonnegefül’ an derselben die schöne Natur zu betrachten - ach! diese ist erstart, Stil steht der Puls in derselben - und dieser Busen, an dem ich so oft Tränen des Kummers verweinte, so oft an ihn hinsank - wird Wonung von Gewimmel nagender Würmgen! Und dieses edle Herz - bald wird’s hinstauben, und bald wird der Wind im Sturme seine Teil’ herumiagen, oder die leisen Lüfte werden es als Sonnenstaub in der untergehenden Abendsonne bewegen — ach! ach! alles so hin! dieses edle Geschöpf so zerstört - Und Abelard noch nicht?
    — der ist so verlassen? so allein in der Welt? nichts ist mer für ihn, dem er sein hinwallendes Herz näher bringen, mitteilen könte? - allein wüten in ihm die Stürme des Unglüks? drängen ihn? Da steht er, in al seiner Eingeschränk[t]heit, Nichtsvermögenheit - seufzet, haschet zu erfassen, was weit von ihm ist - — er möchte gerne mit ihr reden, ach! sie hörts nicht - gerne sie küssen; ach! er schaueret, die bald erdewerdende Lippen an die seinigen zu drükken — Ach! mus ich denn so? Steht’s nicht bei mir, al diese Qualen zu enden, mich hin in die stille Todesnacht zu stürzen? - Ein Strom von Tränen entdrang meinen Augen. Eine Minute - ein Zufal - ein Punkt - so wär’ ich hin gewesen; so hätt’ ich sie dort erblikt, so wär’ ich al meinem Jammer auf einmal entgangen. Aber, Freund! es gehört Mut, Stärke, Kraft dazu, selbst dem grauenvollen Tod in die Augen zu treten. Man schauert, wenn man ihn näher erblikt. Was wird aus mir werden? - Leb wol!
     
     
    am 27 Dezemb.
    Gotlob! daß al das Geräusch, al mein Jammern ein wenig vorbei

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