Saemtliche Werke von Jean Paul
friedlich. Niemand wuste die schwarze Tat, die er verübt hatte; aber niemand mutmaste noch weniger die, die er im Sinn’ hatte. Er wüste, daß er sich auf Heloise keine Rechnung machen konte. Was tut er? Ach! Freund! fast trau’ ich nicht, dir’s zu schreiben. Er beredet Heloise abend mit ihm im Garten spazzieren zu gehen. Wie eine Schlange so bös, so listig, fürt er sie bis an’s hinterste Ek des Gartens. Er wirft sie zur Erde - sezt ihr’s Pistol auf die Brust - wil sie enteren. Sie schreiet. Es kommen Leute. Er schiest los. Der Schus geht durch den Arm. Sie fält in Unmacht. Der Bösewicht entflieht. Nun liegt sie schon etliche Tage todkrank. Man zweifelt an ihrem Aufkommen. Sie seufzet nach dir; und begert dich noch einmal vor ihrem Ende zu sehen. -« Ach! armer, elender, bedauernswürdiger Abelard! hin ist alles mit ihr! Got! ach! Heloise! Geliebte! dieser Menschenmörder muste dich auch gar morden. Ha! wie die grauenvolle Zukunft mit schrekkenden Blizzen über den Zitternden daher leuchtet! Freund! schaffe mir Hülfe! Errette den Elenden, der am Rande seines Unglüks wankt, dem alles entraubt, der blos, verlassen ist, allein, traurig in Gottes Schöpfung hinwallet. - Ach! wie sie schmachten wird nach mir auf dem bangen Todesbette - wie seufzen wird die gute Sele nach dem Unglüklichen! Ich mus sie sehen, eh’ sie hinstirbt, mus sie umfangen, eh’ sie erkaltet, und den lezten Hauch ihres Atems verschlukken, eh’ er verduftet - So weit komt’s mit mir, mit meiner unglüklichen Liebe! Dan, dan wird Abelard eilen, ihr nachzufolgen, und — sterben. In etlichen Stunden reis’ ich ab. Got! wie die Gedanken in mir sich verwirren, die Empfindungen abwechseln! -
am 24 Dezemb.
Ich bin bei Heloise. Sie schlummert - bald wird sie auf immer schlummern. Hu! wie’s rauscht um mich! wie der Todesengel um’s arme Opfer mit gezüktem Schwerdte schleicht - wie ich sie schon klagen und singen höre, die Leichleute, mit schwarzem Flor angetan - wie dort die Bare, die meine Geliebte einschliest, mit den fliegenden Todenkränzen oben, hin in der Luft schwebt - wie drüben der Priester an des Grabes Rande von Eitelkeit und Tod predigt; und wie sie, sie — hin in die Erde versenkt wird, die Erdschollern [!] den graugemalten Sarg erschüttern, und wie’s dumpfen Todeston wiederholt aus des Grabes Hol’ heraus!!!
Abends kam ich zu meiner bald scheidenden Heloise; stürmte die Stieg’ hinauf; achtete niemand. Zur Tür des Zimmers hinein! Und ach! ach! - blas, die blühende Blume-todengelb, die weisse Lilie - tief in der Stirn’ Hole, das sanfte, blaue Auge - eingefallen, das volle Antliz — Sie blikte zum Fenster hinaus. Sie sah mich mit senendem Auge, das Auflösung wünscht - neue Wonne belebte die fast schon verwesende Leiche - al die Freuden, sonst in Glükstagen eingesaugt, umdämmerten bei meinem Anblik den schon hinwegeilenden Geist, glühten tief aus dem schon erkalteten Herzen wieder auf. So traf ich sie an. Hin war ich, fiel auf’s Bette, we sie sterben solte, umfaste die vorige Geliebte, benezte das liebreiche Angesicht mit heissen Tränen, drükte sie hastig an mich — »Abelard« keuchte sie tief aus dem bald modernden Herzen heraus - ich zerflos in Tränen. Ach Got! guter Vater! kontest du mich so leiden sehen, und nicht in die ewigen Wonungen aufnemen den Leidenden da? - Ich sazte mich nieder, sie strekte die schwache Hand nach meiner aus - drükte sie, seufzte dies mit leiser Stimme: Lieber Abelard! Sie — sehen — daß ich — bald diese — Welt — verlassen — werde — daß — nun - bald geschehen — wird — was — ich schon — lange — wünschte — Ich - - danke - Got! Wie — wol — werd’ — ich — ruhen — Ich glaubte — Sie — in - dieser — Welt nicht — mer - anzutreffen - hier — ist der — Abschiedsbrief — an - Sie — Betrüben —
Sie - Sich - nicht — wir - werden — einander - Wiedersehen — Hier blikte sie mich an mit bedeutungsvollem Blikke; und ach! ihre Augen weinten Tränen - vielleicht die lezten in ihrem Leben. Sie zeigte mit ihrer Hand nach oben hin. Freund! dies Geschöpf mus ich verlieren? und so Zusehen, wie’s da liegt im mäligen Ermatten ihrer Kräfte, im Verzeren al ihrer Lebensgeister - Zusehen, wie’s bange Herz immer matter im kalten Busen schlägt, wie die Leidende mit senendem Blikk’ herumirt, um Hülfe zu suchen, sie nicht findet - und trostlos in sich kert, den Tod schon fült. — Ach! Ach! wem solten hier nicht die
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