Saemtliche Werke von Jean Paul
Augen von Tränen überfliessen? wem, der nur Mensch ist? und mir, der ich ihr Geliebter bin, der ich in ihr alle Befriedigung meiner Wünsche suche? ich?? —
O Tod! wilkomner Gast! wenn du doch Abelard’s weinende Augen schlössest und diese Quellen von Tränen den nagenden Würmern übergäbest! - Verwesung! angenemer Freund! wenn du doch diese überfülte drängende Brust, wie ein liebes Kind, aussaugtest und dieses rebellische Herz dem Spiel der Winde, in Staub verweset, hinliefertest! - Und küle Erde! Stof meines Körpers! wenn du doch diesen glühenden, al seine Kräfte selbst verzerenden, Jüngling bedektest, neben ihr mich aufbewaretest, neben ihr mich in Moder auflöstest — und dan! o Got! du mich wieder mit ihr auferwektest!
Ich wurd’ unterbrochen; ihr Beichtvater kam. Ich stelte mich an ein Ek des Fensters. Alles war mir Traum, was man mit ihr tat. Fast eine Stunde sagt’ ihr der Geistliche vor. Ich wurd’ es überdrüssig, mir die lezte Stunde, die ich mit diesem Geschöpf noch zu verleben hatte, so entreissen zu sehen - und sagte derowegen zu ihm: Lassen Sie’s gut sein. Sie hat from gelebt. Sie braucht nicht, sich erst auf ihrem Todenbette zu bekeren. Ich wil Ihre Stelle bei ihr vertreten. Ich fertigte so den Geistlichen ab. Man wolte iemand her zu ihr tun, der sie die Nacht bewachen solte. Ich bot mich selbst dazu an. Niemand als ich sol bei ihr sein, und sie sterben sehen - denn ich vermut’ ihren Tod heute nacht. - Got! wenn sie doch genesete! -
Um 10 Ur zu Nachts.
Da sizz’ ich allein; neben mir die schlummernde, todkranke, bald hinscheidende Heloise. Wie himlische Klarheit ihr Antliz umleuchtet - o! sie fült sich schon in iene seligen Gegenden versezt, von Himmels Engeln umgeben, von Got für die Leiden mit gütigem Blikke belonet. Ach! nicht mer wie vorher tobt der Schmerz in mir; die Kräfte sind erschöpft. Stil überflies ich von Tränen. Sie hat mich getröstet; mir vom Wiedersehen gesagt. Sie scheint immer schwächer zu werden. Freund! wenn sie hinstürbe, die, nach der Abelard’s ganzes Wesen alle Kräfte strekt - wenn der arme, verlassene, one Geliebte, hier auf der weiten Welt herumirren müste - wenn Todestäler die zwei Liebenden so schreklich trenten — Wenn dan mit ihr iede Schönheit der Natur erstürbe, iede Blum’ ihren Glanz verlöre, des Vogels-Gesang [!] one Reiz dem Elenden tönte, wenn mit ihr die ganze Schöpfung für ihn tod, ungeheur vor ihm läge — ach!
dan werden bittre Tränen die Wangen des Unglüklichen benezzen, immernagende Schmerzen das Herz des Armen durchgraben — dan werden die Augen des Untröstbaren hin in die dunkle Wüste des Elends starren, er wird leiden - aber nicht lange - Freund! wenn sie stirbt; sterb’ ich auch! Ich bin ganz des leztern Gedankens vol.
One dich dies Leben durchzuwallen,
Heloise! kan ich nicht -
Wie die welke Blume werd’ ich fallen,
die die Wut des Sturmes bricht,
wenn du vor mir hin in ienes Leben eilest,
und der Leiden sat - in Jesu Arm verweilest.
Um 12 Ur zu Nachts. Endlich hat sie ausgekämpfet; sie ist verschieden. Ich aber bin noch da, atme noch; werde noch gefoltert. Engel droben bist du, schaust auf den Leidenden mit tränenleren Aug’ herab. — Ich sas bei ihr am Bette, als sie erwachte. Star blikt sie mich an, sammelt alle Sehkraft, ihren Abelard noch einmal ganz in’s Auge zu fassen und sein Bild mit in iene Ewigkeit zu nemen - — sie reicht mir die Hand, röchelt tief aus der beklemten Brust mit Todesstimm’ heraus: »ich — werde — bald - verlöschen - — Leb — wol - Abelard! — wir - sehen uns wie — «
die Stimme stokt, sie schliest die Augen - die Wangen erbleichen - — die Füss’ erkalten - die Hände starren — der Todesschweis kocht aus der welken Stirne - die Lippen zittern - iedes Ädergen, und Nervgen zukket zum leztenmal - das Blut strömt steter - — das Herz treibt’s nicht mer - das Geschöpf ist im Todeskampf - — noch einmal - alle Kräfte der sterbenden, geängsteten Menschheit gesamlet - bükken mich die sterbenden Augen wild an - verlöschen - innen pocht’s - iede Fiber strebt gegen den Tod auf, streitet die lezte Kraft weg — ich fal auf ihr Todenbette - — umfasse die Scheidende - drükke wütend ihr pochendes Herz an meines, ihre Todenfärbigen Lippen an die meinigen - lasse sie nicht faren, begere mit ihr zu sterben - endlich durcheist die Todeskälte die Erblaste - sie ist nicht mer Heloise - ich lasse sie. Eine Viertelstund
Weitere Kostenlose Bücher