Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Saemtliche Werke von Jean Paul

Saemtliche Werke von Jean Paul

Titel: Saemtliche Werke von Jean Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Paul
Vom Netzwerk:
verhauchen sie vorher.«
    »Sie müssen uns nicht mehr einladen, Herr Doktor«, sagte lächelnd Beata, aber ihr Auge schwamm doch in etwas mehr als in Freude.
    Unter dem Rotauflegen des Himmels trat die Sonne auf ihre letzte Stufe, von farbigen Wolken umlagert. Die Alphörner und sie verschwanden im nämlichen Nu. Eine Wolke um die andere erblaßte, und die höchste hing noch durchglühet herab. Beata und meine Schwester scherzten weiblich darüber, was diese illuminierten Nebel wohl sein könnten – Die eine machte daraus Weihnachtschäfchen mit rosenroten Bändern, eine rote Himmelschärpe – die andre feurige Augen oder Wangen unter einem Schleier – rote und weiße Nebel-Rosen – einen roten Sonnenhut u. s. w….
    Punsch, denk’ ich, wurde endlich für die Herren gebracht, von denen einer ihn in solcher Mäßigkeit zu sich nahm, daß er noch um 2½ Uhr seinen Sektor setzen kann. Wir wandelten dann unter dem kühlenden rauschenden Baum des Himmels, dessen Blüten Sonnen und dessen Früchte Welten sind, hin und her. Das Vergnügen führte uns bald auseinander, bald zueinander, und jeder war gleich sehr fähig, ohne und durch Gesellschaft zu genießen. Beata und Gustav vergaßen aus Schonung über die fremde Liebe und Freude ihre besondere und waren unter lauter Freunden sich auch nur Freunde. O predigt doch bloß die Traurigkeit, die das Herz so dick wie das Blut macht, aber nicht die Freude aus der Welt, die in ihrem Taumeltanz die Arme nicht bloß nach einem Mittänzer , sondern auch nach einem wankenden Elenden ausstreckt und aus dem Jammer-Auge, das ihr zusieht, vorüberfliehend die Träne nimmt! – Heute wollten wir einander alles verzeihen, ob wir gleich nichts zu verzeihen fanden. Es war nichts zu vergeben da, sag’ ich; denn als ein Stern um den andern aus der schattierten Tiefe herausquoll und als ich und Ottomar vor einer schlagenden Nachtigall umgekehret waren, um durch die Entfernung den gedämpften Lautenzug ihrer Klagen anzuhören, und als wir einsam, von lauter Tönen und Gestalten der Liebe umgeben, nebeneinander standen und als ich mich nicht mehr halten konnte, sondern unter dem großen jetzigen und künftigen Himmel mein Herz dem zeigte, dessen seines ich längst gesehen und geliebt: so war so etwas kein Verzeihen und Versöhnen, sondern… Davon übermorgen!
    In veränderlichen Gruppen – bald die zwei Mädchen allein, bald mit einem dritten, bald wir alle – betraten wir die in Gras umgekleideten Blumen und gingen zwischen zwei nebenbuhlerischen Nachtigallen, wovon die eine unsre Insel, die andre die nächste Insel besang und begeisterte. In diesem musikalischen Potpourri hatten die Blumenblätter die wohlriechenden Potpourri zugedeckt, aber alle Birkenblätter hatten die ihrigen aufgetan, und wir teilten uns mit Absicht auseinander, um nicht eilig aus unserem zauberischen Otaheiti abschiffen zu können. –
    Endlich gerieten wir zufällig unter einer Silberpappel zusammen, deren beschneiete Blätter durch den Glanz im Abend uns um sie versammelt hatten. »Wir haben hohe Zeit zum Fortgehen!« sagte Beata. Allein da wirs wollten oder wollen mußten: so ging der Mond auf; hinter einem gegitterten Fächer von Bäumen schlug er so bescheiden, als er still über die blinde Nacht wegfließet, seine Wolken-Augenlider auf, und sein Auge strömte, und er sah uns an wie die Aufrichtigkeit, und die Aufrichtigkeit sah auch ihn an. »Wollen wir nur« – sagte Ottomar, in dessen heißer Freundschaft-Hand man gern jede weibliche entriet – »bleiben, bis es auf dem Wasser lichter wird und der Mond in die Täler hereinleuchten kann – wer weiß, wann wirs wieder so haben?« Endlich füge er hinzu: »Ich und Gustav verreisen ohnehin morgen früh, und das Wetter hält nicht mehr lange.« Es ist das siebenwöchentliche unbekannte Verreisen, von dem ich alle Mutmaßungen, die es bisher so wichtig und rätselhaft vorstellten, gern hier zurücknehme.
    Wir blieben wieder; das Gespräch wurde einsilbiger, der Gedanke vielsilbiger und das Herz zu voll, so wie uns der abnehmende Mond an der Aufgangschwelle auch voll vorkam. Wenn einmal eine Gesellschaft die Hand vom Türdrücker, woran sie sie schon hatte, wieder wegtut: so erregt dieser Aufschub die Erwartung größerer Vergnügungen, und diese Erwartung erregt Verlegenheit; – wir aber wurden bloß um einander stiller, verbargen unsere Seufzer über die Falkenflügel fröhlicher Stunden, und vielleicht brachte manches weggewandte Auge dem Monde das

Weitere Kostenlose Bücher