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Saemtliche Werke von Jean Paul

Saemtliche Werke von Jean Paul

Titel: Saemtliche Werke von Jean Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Paul
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jahraus, jahrein zu brauchen, und zog ab, nachdem er vorher dem ganzen Hof geloben müssen, bald genesen zurückzukommen. –
    – Eigentlich wäre jetzt diese Vor-Geschichte versprochnermaßen aus, so daß ich gut in der neuern dieses Werkes weitergehen könnte, müßt’ ich nicht des Hofkaplans wegen durchaus noch dieses nachholen:
    Die einzige Stelle, die Le Baut gleichwohl am Hofe noch besetzen konnte, war die Pfarrei in St. Lüne. Er fand als ihr Patronatherr damit den Ratten-Kontradiktor Eymann ab, der ihm in London die mündliche Vokation zur Hofkaplanei abgebettelt hatte, und der sie nicht mehr kriegen konnte. Daher nennen ihn die Hundposttage immer den Hofkaplan, wiewohl er in der Tat nur ein Landpastor ist.
    Aus dem kleinen Umstande, daß Eymann als Reiseprediger mit in Jenners Gefolge ging, entspann sich viel. Eymann machte auf dem Landgut des Lords seiner jetzigen Frau mit dem Hals- und Brustgehenke seiner von der Schwindsucht durchgrabenen Herzkugel ein kleines Präsent, das angenommen wurde. Beide zeugten noch in England ihren Flamin. Die Lady liebte in der Hofkaplänin eine würdige Mitschwester ihres Geschlechts und eine würdige Mitbürgerin ihres Vaterlands; sie drang in sie mit heißen Bitten, in England zu bleiben, und als alle abgeschlagen waren, erbat und erzwang sie es von ihr, daß wenigstens ihr Flamin – um doch ein halber Brite zu werden – so lange in der Gesellschaft des Infanten und Viktors bleiben durfte, bis das freundliche Kleeblatt auf einmal in die deutsche Erde verpflanzet würde.
    Die Pfarrerin war stark genug, für die schönere Erziehung ihres Flamins den Genuß seines Anblicks hinzugeben, und ließ ihn unter den Augen der Liebe und in den kleinen Armen der kindlichen Freundschaft zurück. Dieselbe erziehende Hand – Dahore hieß der Lehrer – richtete und begoß die drei edlen Blumen, die aus einerlei Beete und Äther dreierlei Farben sogen und sich mit unähnlichen Staubfäden und Honiggefäßen ausbildeten. Dahore hatte das Herz aller Kinder in seiner weichen Hand, bloß weil seines niemals brausete und zürnte, und weil auf seiner jungen Gestalt eine ideale Schönheit und in seiner reinen Brust eine ideale Liebe wohnte. Die drei Kinder liebten und umarmten sich unter seinen Augen wärmer, wie vor der Venus Urania die Grazien einander umschlingen: sie trugen sogar alle einen Namen, wie die Otaheiter aus Liebe ihre Namen tauschen.
    Als sie einige Reife hatten, kam der Lord, um sie samt Dahore nach Deutschland einzuschiffen. Aber vor der Abfahrt bekam der Infant die Blattern und wurde blind – und Dahore mußte mit ihm zur ängstlichen weinenden Lady umkehren. Viktor hatte sich lange und sprachlos an den Hals des kranken Freundes gehangen und um Dahores Knie geschlungen und wollte von den zwei Geliebten nicht scheiden; aber der Lord schied sie. – Flamin und Viktor wurden dann in Flachsenfingen erzogen, jener zum Juristen, dieser zum Arzte.
    – Es sind in der Kürbisflasche Spitzius Hofmanns einige Unwahrscheinlichkeiten; aber der Hund muß für das stehen, was er liefert. Jetzo geht die Historie wieder geradeaus.
    Der Lord entfernte sich, unter dem Kanonenlösen der löcherichten Garnison, mit Viktor in ein anderes Zimmer, und sein erstes Wort war: »Binde mich ein wenig auf und lasse deine Hand in meiner, damit ich deine Aufmerksamkeit bemerken kann; denn ich habe dir viel zu sagen.« Guter Mann! wir merken es alle, daß du zärtlicher bist, als du scheinen willst, und wir loben es alle; nicht Kälte , sondern Abkühlung ist die größere Weisheit; und unser innerer Mensch soll, wie ein heißer Metallguß in seiner Form, nur langsam erkalten, damit er sich zu einer glättern Gestalt abründe: eben darum hat ihn die Natur – wie man für Bildmetall die Form erwärmt – in einen heißen Körper gegossen.
    Er fuhr fort: »Ich habe, mein Teurer, in meiner Blindheit nur leere Briefe an dich diktieren können; ich wollte erst für deine Ankunft meine Geheimnisse aufsparen. Eine kleine Pulververschwörung beobachtet mich.« Viktor unterbrach ihn mit der Frage, wie er so plötzlich blind geworden. Der Lord antwortete ungern: »Das eine Auge war es wahrscheinlich schon vor deiner Abreise nach Göttingen, aber ich wußt’ es nicht.«
    »Aber das andere?« sagte Viktor. Über das Angesicht des Lords strich der kalte Schatten eines begrabnen Schmerzes; er sah den Sohn lange an und antwortete wie zerstreut und eilig: »Auch! – Ich sehe dich an, du kommst mir viel länger

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