Saemtliche Werke von Jean Paul
und größer vor.« – »Das ist vielleicht« (versetzt’ er, denn er erriet ihn) »Augen-Täuschung der empfindlichern Netzhaut . – Sie sprachen von der Pulververschwörung.« – »Diese hat erfahren,« (sprach der Lord weiter) »daß der Sohn des Fürsten nicht in London sei; sie vermutet sogar, daß die Blattern absichtlich damals inokuliert wurden – und der Fürst spricht täglich von dem Augenblick, wo ich ihm seinen Sohn wiederbringe: er weiß vielleicht jene Vermutungen. Ich mußte meine Abreise nach London auf meine Heilung verschieben. Jetzo reis’ ich in kurzem ab nach England, wo der Sohn nicht ist, und hole seine Mutter; ihn bringe ich anders woher und mit ebenso guten Augen, als du mir gegeben hast.«
»Dann«, fuhr Viktor heraus, »wird der beste Mann nicht gestürzt, wohl aber seine Feinde.«
»Nein, ich bin vorher gestürzt , um mich wie du auszudrücken. – Aber du hast mich unterbrochen. Ich habe nie den Mut gehabt, andere Leute zu unterbrechen als Toren. – Denn meine Abwesenheit will man eben.«
Ich als bestallter Historiograph frage nichts nach allem und unterbreche, wen ich will. Einer, den man unterbricht, kann zwar spaßen, aber nicht mehr beweisen. Der auf den Plato gepelzte Sokrates, der keinen Sophisten ausreden ließ, war eben darum selber einer. In England, wo man noch Systeme unter den Weingläsern duldet, kann sich ein Mann so sehr ausbreiten wie ein Royalbogen; in Frankreich, wo sich die Brille der Weisheit in glänzende Spitzen zersplittert, muß einer so kurz sein wie ein Besuchblatt. Hundertmal schweigt der Weise vor Gecken, weil er dreiundzwanzig Bogen braucht, um seine Meinung zu sagen – Gecken brauchen nur Zeilen, ihre Meinungen sind herauffahrende Inseln und hängen mit nichts zusammen als mit der Eitelkeit…. Noch merk’ ich an, daß zwischen dem Lord und seinem Sohne eine höfliche feine Behutsamkeit obwaltete, die in einem so nahen Verhältnisse nur aus ihrem Stande, aus ihrer Denkart und ihrer häufigen Abtrennung zu beurteilen ist. –
»Aber meine Gegenwart ist vielleicht noch schlimmer. Die Prinzessin« – –
(Die Braut des Fürsten, da seine erste Gemahlin bald und kinderlos starb, wie Spitz sagt)
»Die Prinzessin bringt einen Strom von Zerstreuungen mit, worin er keine Stimme als die, die zum Vergnügen lockt, mehr hören wird. Ein unterbrochner Einfluß ist ein verlorner. Auch bin ich bis zu einem gewissen Punkte dieses Spieles so müde, daß ich den neuen Verbindungen, in die mich diese neue Erscheinung zöge, gern entfliehe. Sollte sie ihn nicht lieben, wie man sagt, so könnte sie ihn um so leichter beherrschen; und dann wäre meine Abwesenheit wieder nicht gut. – Mich beiseite! aber was nimmst du vor, solang’ ich weg bin?«
Nach einer Viertelpause antwortete er selber. »Du wirst sein Leibarzt, Viktor!« Viktors Hand zuckte in der väterlichen. »Du bist ihm schon versprochen, und er sehnet sich nach dir, bloß weil ich dich oft genannt habe. Er kann es nicht erwarten, zu erfahren, wie jemand aussieht, dessen Vater er so gut kennt. Als Leibarzt kannst du ihn mit deiner Kunst und mit deiner Laune so lange fremden Fesseln entziehen, bis ich wiederkomme; dann leg’ ich ihm noch sanftere an und gehe auf immer zurück. Meine Verbindung hatte bisher bloß die Absicht, fremde abzuwenden, besonders eine gewisse« – (Mit voller Brust und andrer Stimme) »Mein Geliebter! Es ist auf der Erde schwer, Tugend, Freiheit und Glück zu erwerben, aber es ist noch schwerer, sie auszubreiten; der Weise bekömmt alles von sich, der Tor alles von andern. Der Freie muß den Sklaven erlösen, der Weise für den Toren denken, der Glückliche für den Unglücklichen arbeiten.«
Er stand auf und setzte Viktors Ja voraus. Dieser mußte ihm also unter dem Gehen seinen Rednerfluß zutröpfeln. Er fing mit gehäuftem Atem an: »Ich verabscheue aufs heftigste den Samielwind der Hofluft«…
Bei mir hats der Lord zu verantworten, daß der Sohn hier die conjunctio concessiva » zwar « auslässet: wer sich die Erwartung des Gehorsams merken lässet, erhält ihn wenigstens unter einer stolzern Einfassung –
»die über lauter liegende Menschen streicht und den zu Pulver macht, der aufrecht bleibt – Ich wollt’, ich wär’ in einem Vorzimmer an einem Courtage; ich wollte zu allen in Gedanken sagen: wie hass’ ich euch und euern tollen Sauerhonig von Lust- und Plag-Partien – die verdammten Wart- und Ruderbänke eurer Spieltische – die vollen
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