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Saemtliche Werke von Jean Paul

Saemtliche Werke von Jean Paul

Titel: Saemtliche Werke von Jean Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Paul
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und das bedachte niemand weniger als Horion – ein feuriger Freund des Fürsten: das machte ihn fähig, für diesen (wie Cicero verlangt) sogar das zu begehen, was er nie für sich begangen hätte – etwas wider die Ehre. Es ist überhaupt für einen Hof- und Weltmann, dessen Ehre der hohe Posten oft der schlimmsten Witterung bloßstellt, ein ungemeines Glück, daß diese Ehre, sei sie auch noch so empfindlich bei kleinen Stößen , doch große leicht verwindet, und wenn nicht mit Worten, doch mit Taten ohne Nachteil anzutasten ist: etwas Ähnliches bemerken die Ärzte an Rasenden, oder vielmehr an deren Haut, die zwar die leiseste Betastung verspürt, auf welcher aber dennoch keine Blasenpflaster ziehen. – Der Fürst wurde durch einen dreifachen Bast an Le Baut geknüpft, durch Dankbarkeit, durch Sohn und Frau: der Lord zausete den Bast auseinander. Er entblößete nämlich vor seiner Nichte das kammerherrliche Herz und deckte ihr den Giftsack darin auf und einen dramatisch durchgeführten Plan , den sie bisher für Nachsicht angesehen hatte. Alles Edle und Stolze entbrannte in ihr vor Scham und Zorn; und sie floh vor den erdrückenden Erinnerungen mit ihrem Kinde und mit der Aussicht eines zweiten aus der Stadt auf ein Landgut des Lords.
    Nun ging der Fürst mit dem Lord und seinem Hofstaat (sogar mit dem Doktor Kuhlpepper) nach Deutschland zurück. Le Baut verweilte noch einige Zeit, um die Nichte zu beruhigen und zu bereden zur Reise. Aber es war ihr nicht nur unmöglich, alle ihre senkrecht laufenden Wurzeln aus dem Lande der Freiheit zu ziehen und nach Deutschland mitzugehen, sie trennte sich auch – nicht bloß durch Meere, sondern – durch einen Scheidebrief vom schmutzigen Günstling ab. Sie mußte dem Kammerherrn ihr zweites Kind, seine wahre Tochter, lassen; aber das erste, den Infanten, befestigte sie an ihrer Mutterbrust. Le Baut litt es auch gern und dachte, nach der Baurede gehört das Baugerüst ohnehin in den Ofen des Hauses.
    Aber als er unter dem deutschen Thronhimmel erschien, stand seine Sonne (Januar) in der Sommer-Sonnenwende, die von abnehmender Wärme allmählich zu kalten Stürmen überging. Januars Liebe konnte leichter steigen und fallen als stehen, und das größte Verbrechen war bei ihm – Abwesenheit. Le Baut mußte jetzt ohne Frau und Kind schon darum gegen den Lord verlieren, weil dieser als Schatzmeister und Küstenbewahrer zweier in London gelassener Schätze unter Jenners Thronhimmel auftrat. Aber es gab tiefere Gründe. Der Lord regierte den Regenten leicht, weil er ihn weder an eignen noch fremden Lastern zügelte, sondern an eignen Tugenden. Erstlich begehrte er nichts von ihm, nicht einmal Diät und Keuschheit. Zweitens hob er keine Vettern in den Sattel, sondern schlimme daraus; er trug ihn wie einen Habicht auf der beschuhten Faust, aber der Falkenierer tats nicht, um den Fürsten auf Tauben und Hasen zu werfen, sondern um ihn immer wach und zahm zugleich zu machen. Drittens machten seine Festigkeit und seine Feinheit einander wechselseitig gut; über Veränderliche regieret am besten der Unveränderliche. Viertens war er nicht der Günstling, sondern der Gesellschafter, blieb immer ein Brite und ein Lord und des Landes wohltätiger Bienenvater , indes Januar der Weisel und im Weiselgefängnis war. Fünftens gehörte er unter die wenigen Menschen, denen man gleich sein muß, um ihnen ungehorsam zu sein; und einer, der das Taschenspielerkunststück machen wollte, ihm ein Schloß unversehens an den Mund zu werfen, hatte leicht eines an Bein- und Handschellen der Seele. Sechstens hatt’ er einen guten Käse. Das letzte braucht nicht weitläuftig erklärt zu werden; in Chester hatt’ er einen Pachter, der einen Käse lieferte, dergleichen es weiter keinen in Europa gibt; Fürsten aber ist im ganzen ein außerordentlicher Käse lieber als eine außerordentliche Dankadresse des Landschaftsyndikus. –
    Bei einem Zusammentreffen solcher Unsterne wurde freilich dem Kammerherrn der Absagebrief, der anfangs mit sympathetischer Dinte auf Jenners Gesicht geschrieben war, allmählich immer leserlicher – doch las er ihn wöchentlich etliche Male durch, um recht zu lesen – er konnte jetzo keinem Schoßhunde eine Stelle mehr verschaffen, nämlich einen Schoß – seine Empfehlschreiben wurden Uriasbriefe – als er nun gar durch den Lord die Charge eines Obrist-Kammerherrn erstand, hielt ers für hohe Zeit, gegen seine Kniegicht das Bad auf seinem Rittergut St. Lüne

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