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Saemtliche Werke von Jean Paul

Saemtliche Werke von Jean Paul

Titel: Saemtliche Werke von Jean Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Paul
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sie sagen, für eingegeben hält. Überhaupt eine schöne Lorbeer- und Kirschlorbeerzeit! – –
    Bei allen neuen zweiten Ausgaben wird es dem Verfasser, der sie so gern zu recht verbesserten machen möchte, von neuem schmerzhaft, daß keine seiner Dichtungen ein um- und eingreifendes Kunsturteil über Charaktere und Geschichte und Sprache jemal hat erobern können. Mit einem allgemeinen Lobe bis zur Übertreibung und mit einem ähnlichen Tadel bis zu einer noch größern ist einem rechtschaffenen Künstler nicht gedient und geholfen. Natürlicherweise wurden zweite Auflagen noch weniger beurteilt und geprüft als erste, und der Verfasser sah jeden Abend vergeblich auf ein Lob seiner Strenge gegen sich selber auf. Wie gern er aber bessert und streicht – noch mehr als ein Wiener Schauspieldirektor, der bloß fremde Stücke zerstückt – und wie emsig er aus jedem bedornten oder gestachelten Tadel, sei er entweder Rose oder Wespe, den Honig der Besserung saugt, dies könnte ein Kunstrichter erfahren, ohne mehr Bücher zu lesen als zwei, nämlich die zweite Ausgabe neben der ersten; ja sogar aus einem einzigen könnte er alles wegbekommen, wenn er einen Herrn Verleger bloß um gefällige Vorzeigung des letzten, mit weisen Runzeln und mit Druck- und Dintenschwärze zugleich durchfurchten Alt -Exemplars ersuchte: der Mann würde im Buchladen sich wundern über das Bessern, ihm so gerade gegenüber.
    Aber, wie leider gesagt, gegenwärtig wird in Deutschland wenig Belletristisches rezensiert, und die Taschenkalender sind hier wohl die einzigen Ausnahmen von Belang, nämlich ihre verschiedenen kleinen Aufsätze und die verschiedenen kleinen Urteile dazu.
    Es ist eigentlich ziemlich spät, daß ich erst nach 28 Jahren sage, was die beiden Titel des Buchs sagen wollen. Der eine »unsichtbare Loge« soll etwas aussprechen, was sich auf eine verborgne Gesellschaft bezieht, die aber freilich so lange im Verborgnen bleibt, bis ich den dritten oder Schlußband an den Tag oder in die Welt bringe. Noch deutlicher läßt sich der zweite Titel »Mumien« erklären, der mehr auf meine Stimmung, so wie jener mehr auf die Geschichte, hindeutet. Überall werden nämlich im Werke die Bilder des irdischen Vorüberfliegens und Verstäubens, wie ägyptische Mumien und griechische Kunst-Skelette, unter den Lustbarkeiten und Gastmahlen aufgestellt. Nun soll aber die Poesie mehr das Entstehen als das Vergehen zeigen und schaffen und mehr das Leben auf den Tod malen als das Gerippe auf das Leben. Der Musenberg soll als der höchste, alle Wolken überflügelnde Berg, der uns sowohl den Himmel als die Erde heller schauen läßt und zugleich die Sternbilder und den blumigen Talgrund uns näher bringt, dieser soll der Ararat der im Wasser arbeitenden und schiffbrüchigen Menschheit sein; wie sich in der Mythe Deukalion und Pyrrha aus der Sündflut auf dem Parnassus erretteten. So verlangt es besonders unser Goethe und dichtet darnach; die Dichtkunst soll nur erheitern und erhellen, nicht verdüstern und bewölken. – Und dies glaub’ ich auch; ja ohne eine angeborne unwillkürliche – was man eben Hoffnung und Erinnerung nennt – wäre keine Wirklichkeit zu ertragen, wenigstens zu genießen. –
    Aber ebenso gewiß ist es, daß gerade die Jugend, diese lebendige Poesie, mitten unter ihren Blütenästen (für sie aber schon Fruchtäste) und auf ihren sonnigen warmen Anhöhen nichts lieber dichtet und gedichtet liest als Nachtgedanken; und nicht nur vor der liebekranken Jungfrau, sondern auch vor dem liebestarken Jüngling – der darum einem Schlachttode weit begeisterter entgegenzieht als ein Alter – schweben die Gottesäcker als hangende Gärten in Lüften, und sie sehnen sich hinauf. Die Jugend kennt nur grüne blumige Grabhügel, aber das Alter offne Gräber ohne grünende Wände.
    Diese jugendliche Ansicht komme nun dem Verfasser, der in einem für ihn noch jugendlichen Alter schrieb, bei seinen zu häufigen Grablegungen und seinen Nachtstücken der Vergänglichkeit in diesem Werke zugute. – Indes ist hier eben eine nicht zu furchtsame Rechtfertigung notwendig; denn da wir doch einmal alle in der immer vernichtenden und vernichtet-werdenden Zeit fortschwimmen und wir auf den kleinen Gräbchen jeder Minute in das große der letzten Stunde steigen müssen: so kann hier kein scheues Seitwärtsschielen der Poesie – was etwa bei Übeln gelten könnte, die nur einzelne und nur zeitweise ergreifen –, sondern bloß ein tapferes

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