Saemtliche Werke von Jean Paul
nicht wenig zu der Schärfe seiner Schreibweise beitrug. Nur ein breiteres Leben konnte hier ausgleichen und runden. So mietete er sich im Frühsommer eine kleine Sommerwohnung im Garten seines Wirtes vor dem Tore, um die so lange entbehrte Berührung mit der Natur wiederzugewinnen.
Der literarische Erfolg ihres Sohnes konnte die Mutter in Hof nur mäßig beglücken. Sie fragte ihn an, was es für Bücher seien, die er schreibe, und als sie erfuhr, daß es spaßhafte Bücher oder Satiren wären, drang sie auf Fortsetzung des theologischen Studiums. Es ist eine Tatsache, daß sich Menschen des gemeinen Volkes unter einem Büchermacher nichts vorstellen können. Nur Honorare überzeugen sie davon, daß Büchermachen eine christliche Beschäftigung ist, und auch diese eigentlich nicht. Frau Richter war nicht geneigt, auf ihre Lieblingsidee, den Sohn von der heimatlichen Kanzel predigen zu hören, zu verzichten. Während der Pfingstferien, hatte sie sich ausgedacht, sollte Jean Paul zum erstenmal als Kandidat der Theologie die Kanzel in Hof besteigen. Er antwortete ihr Anfang April 1783: »Fast mußte ich lachen, da Sie mir den erbaulichen Antrag tun, mich in Hof in der Spitalkirche z. B. vor alten Weibern und armen Schülern mit einer erbaulichen Predigt hören zu lassen. Denken Sie denn, es ist soviel Ehre, zu predigen? Die Ehre kann jeder miserable Student erhalten, und eine Predigt kann einer im Traume machen. Ein Buch zu machen ist doch wohl zehnmal schwerer.« Und auf ihre nochmalige Ermahnung, zwei Wochen später: »Sie glauben, es ist so leicht, ein satirisches Buch zu schreiben. Denken Sie denn, daß alle Geistlichen in Hof eine Zeile von meinem Buch verstehen, geschweige denn machen können? . . . Wenn ich nun Theologie studiert hätte, von was wollt’ ich mich denn nähren? . . . Ich getraue mich noch, Bücher zu schreiben, wo ich für ein einziges so kleines wie das jetzige 300 Reichstaler sächsisch bekomme.«
Am 20. Februar bereits hatte Jean Paul das erste Exemplar seines Buches an Pfarrer Vogel schicken können. Aber er war schon in der Arbeit für das zweite Bändchen, das Voß zur Michaelismesse herauszubringen versprochen hatte und auf das er im Mai einen stattlichen Vorschuß gab. In diesem zweiten Bändchen suchte Jean Paul die Fehler des ersten zu vermeiden. »Mein Buch hat tausend Fehler und ist mit Gleichnissen, wie das Lob der Dummheit mit Antithesen, überladen«, schrieb er an Vogel. Aber wenn er auch Fehler zu vermeiden sich angelegen sein ließ, so steht das zweite Bändchen doch hinter dem ersten zurück. Man erkennt den Schweiß der Arbeit hinter der angestrebten Leichtigkeit und Witzigkeit.
Im ersten Aufsatz untersucht Jean Paul die Frage, ob dem Genie oder der Kritik zu folgen sei. Für die Wichtigkeit der Regeln und der Kritik führt er neunundzwanzig Gründe in Form von Gleichnissen an, um sie durch zweiunddreißig das Gegenteil beweisende Gründe zu widerlegen. Man sieht, daß hier die rationalistische Methode zum reinen Spiel ausgeartet ist, und begreift, wie notwendig die Zeit einer kritischen Überlegung über die Reichweite der Vernunft überhaupt bedurfte. Die übrigen Teile des Bändchens bewegen sich, wenn auch mit neuen und reichen Bildern und Gleichnissen, in dem Gebiet des ersten Bändchens. Manches unter den Epigrammen, die den Schluß bilden, ist reizvoll, ohne das Ganze heben zu können.
Und doch klingt in den letzten Epigrammen zum erstenmal ein Ton auf, der Jean Pauls spätere Entwicklung vorwegnimmt und aus der Nachbarschaft der kalten Satire fortdrängt. Ein Bild von Tod und Auferstehen, wie es Jean Paul später immer wieder gebraucht: »Gleich den meisten Raupen kriecht der Mensch eine Zeitlang auf der Erde umher, wird dann von der Erde in der hölzernen Verpuppung des Sarges aufgenommen, ruhet da einen Winter, durchbricht endlich im Frühling die Puppe und flattert aus der harten Erde mit neuer und unverletzter Schönheit hervor.«
Entgegen der sonstigen Sprachbehandlung in dem Bändchen ist dem Bild nicht das Äußerste an Verdichtung und Prägnanz abgewonnen worden. Eher herrscht das Bestreben liebevollen Ausmalens vor. Und das Bild selbst ist eingebettet in die rationalistische Anschauung von der Unzulänglichkeit der Metaphysiker, Dichter und Theologen. Es heißt in diesem »Ernsthaften Epigramm«, das schon durch seine Überschrift auf seinen ungewöhnlichen Stimmungsgehalt hinweist, etwa: Wenn man schon dem Lehrsatz der Theologen von der
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