Saemtliche Werke von Jean Paul
diesem Wege hatte Jean Paul das ländlich starke, naturfrische, aber kaum gebildete Mädchen kennengelernt und sich bald mit ihr verlobt. Ein jüngerer Bruder Sophies, der das Höfer Gymnasium besuchte, besorgte die Briefe der Liebenden. Ein kleines Wäldchen bei Leopoldsgrün, zwischen Hof und Helmbrechts, war ihr Treffpunkt.
Keine Jugendseligkeit überkam den jungen Bräutigam, und das Wäldchen von Leopoldsgrün hat wohl kaum dionysischen Taumel der Liebenden gesehen. Jean Pauls Briefe an seine Freundin halten sich durchaus im Stil seiner Satiren, sind voller Antithesen und Gleichnisse, und kein Naturton durchbricht die abgezirkelte Prosa. Auf seiten Sophies war wohl der größere Gefühlseinsatz. Ihre Gedanken sind erfüllt von den kleinen Listigkeiten eines liebenden Mädchens, das sich aus dem Hause stehlen muß, ohne Verdacht zu erregen. Sie überdenkt Pläne und Ausreden. Der »schwarze Doktor« hat dem kleinen Ellrodt den Mittagstisch aufgekündigt, weil dieser »bald käme, bald nicht käme«. Jean Paul schlägt vor, daß Sophie in die Stadt komme, um ihrem Bruder einen neuen Mittagstisch zu besorgen. Aber Sophie durchdenkt den Fall genauer: Wie habe sie es denn erfahren können, daß der schwarze Doktor den Tisch kündigen will? Werden ihre Eltern nicht Verdacht schöpfen? So kommt sie wieder nur bis in das Wäldchen. Aber während sie hier ängstlich jeden ihrer Schritte überlegt, reift in ihr ein großer Plan: sie wird nach Leipzig in Stellung gehen, um dem Geliebten nahe zu sein. In wenigen Tagen steht seine Abreise bevor. Noch einmal wird sie verzögert, weil Jean Paul sein ganzes Geld der Mutter geben muß und sie es ihm erst in Tagen wieder geben kann. Noch einmal treffen sich die Liebenden in dem Wäldchen. Dann reist er nach Leipzig.
Aber von Leipzig aus sah Jean Paul die ganze Angelegenheit mit andern Augen an. Er macht Ausflüchte wegen ihrer Stellung, und als sie ihn für wenige Tage um den Ring bittet, den sie ihm geschenkt, da ihre Eltern ihn vermissen, benutzt er die Gelegenheit, den Erzürnten zu spielen und die Verlobung zu lösen. Ein verschnörkelter Abschiedsbrief in Rokokostil endet sein erstes Verlöbnis. »Also ist der Vorhang zerrissen, auf dem so viele Hoffnungen gemalet standen? Und unsere Liebe mit den Blumen verblüht, mit denen sie ihr kurzes Dasein anfing?« In Hof entsteht allerhand Gerede über die Verlobung, von der erst nach ihrer Lösung einiges bekannt wird. Die Mutter fragt mehrmals nach Sophie in ihren Briefen. Vielleicht hofft sie von der Liebe des Sohnes Umkehr und Fortsetzung des theologischen Studiums. Er aber antwortet sarkastisch und ablehnend. Bruder Gottlieb muß die Stellung in Helmbrechts aufgeben. Kleine Gehässigkeiten züngeln dem ausgebrannten Feuer hinterher.
In Leipzig umfing ihn die alte trostlose Welt. Novemberstimmung lag über dem Abschied von Sophie. Leipzig » vult exspectari «. Noch einmal versuchte er, den Dämon dieser Stadt zu bezwingen. In den gedruckten Satirenbändchen glaubte er die Mittel in der Hand zu haben, sich seinen Anteil an dem festlichen Leben der Stadt und ihren künstlerischen und gesellschaftlichen Genüssen zu erzwingen. Ende Oktober 1783 erhielt er das erste Exemplar des zweiten Bändchens und bekam den Rest des Honorars, das ganze 126 Reichstaler betrug. Für eine Weile glaubte er seinen Lebensunterhalt sichergestellt, jedenfalls so lange, bis ein neues Buch von ihm die Presse verlassen würde. Schon hatte er eine Reihe neuer Satiren vollendet, die zu einer neuen Sammlung unter dem Titel »Auswahl aus den Papieren des Teufels« zusammengestellt werden sollten.
Nun aber kamen Schlag auf Schlag die Mißerfolge.
Zuerst scheiterte der Versuch, gesellschaftlich in Leipzig festen Fuß zu fassen. Voller Hoffnung übersandte er die »Grönländischen Prozesse« dem liebenswürdigen Hauptmann Friedrich von Blankenburg, einem bereits alten Manne, der sich durch einen Roman und eine Reihe kleinerer Schriften einen Namen gemacht hatte und im Leipziger Literaturleben eine gewisse Rolle spielte. Jean Paul hatte Blankenburgs »Versuch über den Roman« in seinem zweiten Bändchen erwähnt, sogar mit Angabe des Verlages und der Jahreszahl, und man gewinnt fast den Eindruck, daß dies ausdrücklich zu dem Zweck geschehen wäre, Beziehungen zu Blankenburg anzuknüpfen. Aber gerade diese Erwähnung in einem unklaren Zusammenhang und in einem zweifelhaften Buch mochte den alten Herren, der an Huldigungen der jüngeren Generation
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