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Saemtliche Werke von Jean Paul

Saemtliche Werke von Jean Paul

Titel: Saemtliche Werke von Jean Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Paul
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Auferstehung der Toten eine schöne Form geben wollte, dann müßte sie etwa so aussehen. Und nun folgt das angeführte Gleichnis, das den rationalistischen Rahmen sprengt und fast wider den Willen des Verfassers den Hymnus von Tod und Auferstehen anhebt. Ein erster Akkord, der sieben Jahre später Jean Pauls gesamtes Schaffen durchschwingen sollte. –
    Wir dürfen vorwegnehmen, daß die Aufnahme des Buches keineswegs den kühnen Träumen seines Verfassers und auch nicht den Erwartungen des Verlegers entsprach. Das Zeitalter der Satire war vorüber, und Bemühungen um die mehr oder minder reine Form des Witzes mußten eine Welt kalt lassen, an der der Sturm und Drang junger Genies vorübergebraust war. In Hof lösten die»Grönländischen Prozesse« allgemeines Kopfschütteln aus, und so ganz unrecht können wir den Höfern nicht geben. Schon der Titel mußte befremden. Jean Paul erklärt ihn damit, daß in Grönland die Parteien ihre Streitigkeiten durch gegenseitiges Satirisieren abmachen. Es lag in seiner Auffassung des Witzes, das Nächste mit dem Fernsten zu verbinden (Witz ist, heißt es in der »Vorschule der Ästhetik«, die Bemerkung des Verhältnisses zwischen entfernten Ideen, während der Tiefsinn die Bemerkung des Verhältnisses zwischen den nächsten ist), es lag in seiner Auffassung vom Wesen des Witzes, daß er die entlegensten Tatsachen und Merkwürdigkeiten des Daseins aus ihrem Winkel hervorholte, um sie in einen überraschenden Zusammenhang zu stellen. Er übersah, daß der schöpferische Witz diesen Zusammenhang wirklich erlebbar machen, daß er wie ein Blitz von einem Pol zum andern springen muß, um die wirklich bestehende Verwandtschaft des scheinbar Entferntesten aufzuzeigen. Seine ersten Satiren aber blieben bei der Zusammenstellung des Außergewöhnlichen stehen und suchten das Tertium in ausgeklügelten Eigenschaften. Immer geistvoll und ausgesucht, immer aber auch im eigentlichen Verstande des Wortes»weit hergeholt«. Diese Anhäufung von Seltsamkeiten – im Titel ist eigentlich schon das ganze Buch enthalten – mußte bei der Lektüre einen fatalen Geschmack hinterlassen und war wenig geeignet, die Leser nach neuer Nahrung von gleicher Art begierig zu machen. Ja, für Jean Paul selbst bedeutete sein Erstlingswerk keine Befreiung. Nichts von glücklicher Schöpferfreude ist bei ihm während seiner Arbeit bemerkbar. Selbst als er in der neuen Gartenwohnung vor dem Tor das zweite Bändchen zum Abschluß brachte, klingt kein Ton innerer Befriedigung in seinen Äußerungen auf. Im Gegenteil, ganz verschieden von der Schärfe seines satirischen Stils, scheinen weichere Stimmungen in ihm die Oberhand zu gewinnen. »Aber mein Herz ist mir hier so voll, daß ich schweige«, schreibt er an Vogel. Und an späterer Stelle: »In künftigen Briefen, auf die ich mehrere Zeit wenden kann, will ich Ihnen vom Skeptizismus und von meinem Ekel an der tollen Maskerade und Harlequinade, die man Leben nennt, schreiben.« Es ist die Stimmung, die ihn während der nächsten Jahre beherrschte, solange er krampfhaft seine Natur vergewaltigte.
    An einem kleinen Erlebnis in seinem Garten erhielt er einen Vorgeschmack dessen, was ihm für die nächsten Jahre bevorstand. Ein Magister Gräfenhain nahm an der Kleidung des jungen Genies Anstoß, und da der Magister der bessere Zahler war, stellte sich Herr Körner, der Wirt, auf dessen Seite und verbot Jean Paul das Betreten des Gartens, falls er nicht seine Kleidung den allgemeinen Sitten anpasse. Es half Jean Paul wenig, daß er einen hochfahrenden Brief an den Magister schrieb. »Sie verachten meinen geringen Namen, aber merken Sie ihn auch; denn Sie werden das letztere nicht lange getan haben, ohne das erstere mehr zu tun.« Wie nah dünkte sich der Dichter der Zeit, daß die Magister seinen Namen mit Ehrfurcht nennen würden, und wie fern war sie ihm noch! Bald sollten ihm noch ganz andere Proben bevorstehen.
    Es war bei seinem nächsten Besuch in der Heimat, daß er zum erstenmal die Mißachtung der Höfer in ganzer Breite an sich zu fühlen bekam. Zu Pfingsten besuchte er seine Mutter, um bis Ende August bei den Seinen zu verweilen. Wenn die Mutter sich ausgemalt hatte, wie an diesem Pfingstfest ihr Sohn von der Kanzel herunter predigen und die Bewunderung der Höfer erwecken würde, so war sie sicher durch die allgemeine Mißachtung, die die »Grönländischen Prozesse« dem jungen Verfasser eintrugen, am meisten betroffen. Kommerzienrat Maier, Inhaber der

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