Saemtliche Werke von Jean Paul
Vierlingschen Buchhandlung, hatte das Buch in seinem Laden ausliegen, und die braven Höfer, wenn sie es sich auch nicht kauften, warfen neugierige Blicke hinein. Sie werden gefunden haben, daß ein Grünschnabel ihre höchsten Ideale, die bekanntlich Spießbürger immer dann haben, wenn eine neue Werttafel aufgestellt wird, in den Schmutz zog. Gegen die Mächte des Glaubens, des Staates, der Gesellschaft war hier das Geschütz einer niederziehenden Satire aufgefahren. Und wie vollends mußte die Person des Verfassers mit der freien Brust und dem frei wehenden Lockenhaar auf eine Gesellschaft wirken, für die der Zopf noch eine ewige Institution war!
Jean Paul schilderte den Eindruck seiner Person in einem Brief an den Freund Oerthel, der in Leipzig geblieben war. Er gebrauchte das Bild einer Stadt, in der die Honoratioren einen Esel an ihrer Narrenkappe tragen, und eines fremden Ankömmlings, der statt des Esels einen Maulesel als Zeichen trägt. »Der Superintendent sagte bei seinem Anblick: der junge Mensch verachtet die Geistlichen, denn er verachtet die Esel; Gott bessere sein Herz! – und vorher seinen Zwölffingerdarm, sagte der rote Doktor darauf; der ja mit altem Unrat seinen Kopf verrückt… Die Weiber sagten: der Mensch ist ein affektierter Affe, denn er hat keinen Esel. Alle Bürger sagten: wer keinen Esel trägt, ist ein Esel; dieser Kerl trägt sogar einen Maulesel, er ist also, Gott sei bei uns! ein Maulesel.«
Man kann annehmen, daß es sich bei dem »Superintendenten« um den wirklichen handelte, denn ein Superintendent war ja in der Tat in dem Satirenbuch arg mitgenommen worden. Auch der »rote Doktor« scheint der Wirklichkeit zu entsprechen. Es gab in Hof zwar keinen roten, wohl aber einen schwarzen und einen weißen Doktor. So wurden nämlich die beiden praktizierenden Brüder Joerdens genannt, von denen der ältere, der weiße Doktor, Stadtphysikus, der jüngere, der schwarze Doktor, Landphysikus in Hof war. Diese beiden Ärzte gehören zu dem Bilde der Stadt, in der Jean Paul bald so viele Märtyrerjahre verleben sollte.
Aber es blieb nicht bei der allgemeinen Mißachtung der gleichgültigen Menschen. Auch Pfarrer Vogel im nahen Rehau drückte sein Mißfallen an dem anstößigen Äußeren seines bisherigen Schützlings aus, und es gab einen harten Zusammenstoß der Ansichten, der das freundschaftliche Herüber und Hinüber empfindlich störte. Auch die Schwarzenbacher Freunde ärgerten sich über das Auftreten des jungen Menschen. Völkel, der einstige Kaplan, der in seinen freien Mittagstunden dem Knaben freiwilligen Unterricht in Philosophie und heterodoxer Theologie gegeben hatte, war inzwischen Nachfolger des Pfarrers Richter geworden. Neben ihm stand Aktuar Vogel, der noch immer nicht die Stelle eines Gerichtshalters bei Kammerrat von Oerthel einnahm, und der Amtsverwalter Kletterer. Dieser Kreis freier und interessierter Menschen hatte sich sicher nicht wenig auf den jungen Feuergeist gefreut, als er der Stadt seiner Schülerjahre einen Besuch abstattete. Aber über das genialisch forcierte Äußere konnten auch sie sich nicht hinwegsetzen. Die entblößte Brust und der abgeschnittene Zopf blieben ein Stein des Anstoßes, und die Schwarzenbacher verstärkten die Partei des Pfarrers Vogel, mit dem es einen erregten Briefwechsel gab.
Jean Paul fühlte sich bei seinem damaligen Aufenthalt weder in Hof noch auch vielleicht in seiner Haut besonders wohl. Nur mit dem Freunde in Leipzig verband ihn ein reger Briefwechsel. Hermann, der ihm gerade in dieser Zeit viel hätte sein können, war nicht anwesend. Alle andern Verbindungen waren problematisch geworden. Es war wohl Geldnot, die ihn an das mütterliche Haus so lange Zeit fesselte. Der Vorschuß, den Voß auf den zweiten Band der »Grönländischen Prozesse« gegeben hatte, war nahezu aufgebraucht und neues Honorar stand erst bei Herauskommen des Buches zu erwarten. An dem Manuskript wurde in Hof immer noch gefeilt, aber von dieser Arbeit ging kaum Befriedigung aus. Der Rationalismus mit seinem ihm wesensfremden Lebensstil hielt die Kräfte seines Herzens gefesselt. Ohne es zu wissen, wartete er auf die Befreiung und mußte doch seiner Umgebung gegenüber eine Weltanschauung verteidigen, die ihn innerlich erdrosselte. Kein Wunder, daß er den Ausweg in der Liebe suchte.
Sophie Ellrodt, vier Jahre älter als er, war die Tochter des Stadtvogtes in Helmbrechts. Bruder Gottlieb war bei dem Stadtvogt als Schreiber untergekommen, und auf
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