Saemtliche Werke von Jean Paul
Literatur und neuere Lektüre« herausgab. Auch bei Meißner gelang es, einige kleinere Arbeiten anzubringen. Meißner, der ein Jahr später eine Professur in Prag erhielt, äußerte sich 1805 über die damaligen Arbeiten Jean Pauls folgendermaßen: »Ich stand mit ihm schon vor sechzehn Jahren in Briefwechsel und hätte mir damals wahrlich eher, daß die Sonne bei meinen Lebzeiten im Norden aufgehen, als daß er ein Lieblingsschriftsteller unserer Damen werden würde , werden könne , eingebildet. Ich ließ, weil wahrlich seine Briefe trefflich waren, ein paar seiner Aufsätze… einrücken, und niemand wollte sie lesen.« Nach diesen Äußerungen kann es nicht wundernehmen, daß er es ablehnte, sich für die »Teufelspapiere« bei den ihm bekannten Verlegern Dyk und Breitkopf zu verwenden.
Die kleinen Erfolge mit Archenholz und Meißner mochten das drohende Unheil aufhalten, abwenden konnten sie es nicht. Die Mittel Jean Pauls waren völlig erschöpft. Lediglich weil er seinen Hauswirt Körner und seinen Speisewirt Weinert eine Zeit hindurch mit dem Honorar aus den »Grönländischen Prozessen« bar bezahlt hatte, gewährte man ihm noch Kredit. Aber es war klar, daß diese Quelle eines Tages versiegen würde. Im Juni verkaufte seine Mutter endlich das von den Großeltern geerbte Haus. Es kann kaum mehr als eine Kleinigkeit gebracht haben, denn es war verwohnt und reparaturbedürftig. Eine namhafte Hilfe erwuchs für ihn aus diesem Verkauf nicht. Die wenigen Honorare für die Zeitschriftenbeiträge, die sich über lange Monate verteilten, gingen in wenigen Tagen darauf. Ein Ausweg war nicht abzusehen.
Vielleicht achtete Jean Paul in seinem Streben nach glänzenderen Bekanntschaften das Geschenk der Freundschaft zu gering, das ihm in reichem Maße zuteil wurde. Noch immer Wand an Wand mit ihm lebte sein Herzensfreund Oerthel, und Hermann studierte unter fast noch schlimmeren Verhältnissen in der gleichen Stadt. Ein junger Student Schütze aus Hamburg gesellte sich öfter zu den Freunden, wenn sie in der Abenddämmerung auf ihrem Zimmer zusammensaßen. Seiner und Oerthels, der bei Erscheinen der »Teufelspapiere« schon gestorben war (Hermann weilte damals noch unter den Lebenden), gedenkt Jean Paul am Schluß des Buches: »Und du, lieber Sch(ütze) in H(amburg), wenn du dächtest, der V(erfasser) d(er) G(rönländischen) P(rozesse) oder R(ichter) könne dich und deine dichterische Schwermut und das Abreisen im b(osischen) Garten in L(eipzig) vergessen, irrtest besonders. Ich wollte hier noch einen anreden, der beim Anfange dieses Buches noch in diesem träumenden und stummen und mit bunten Dünsten um uns her spielenden Leben war: aber die zitternde Brust hat keine Stimme und die Toten stehen hoch gegen ziehende Schatten unter den Wolken, und eine Ephemere zerrinnt doch nur ein wenig früher als die andere…«
Von diesen Sätzen, die sein letztes Satirenbuch beschließen, kann man vielleicht einen Schluß auf die Stimmung ziehen, die die letzten Monate in Leipzig beherrschte. Hermann berichtet in einem Brief dieser Zeit über die wunderlich mißtrauische Gereiztheit Jean Pauls. Sie kann nicht in Erstaunen setzen, denn die Qual des hoffnungslosen Wartens muß seine Nerven bis zum äußersten gespannt haben. Diese Leipziger Zeit war vielleicht noch schlimmer als das übliche Martyrium der armen Theologen des Fürstentums Baireuth. Wie war es möglich, diese Zeit zu überwinden?
In einem kleinen Heft, das er sein »Andachtsbüchlein« nannte, rang er mit der Verzweiflung und gewann schreibend die stoische Haltung, die ihn über diese Monate hinübertrug. »Jedes Übel ist eine Übungsaufgabe«, heißt es darin, »und ein Lehrer der Standhaftigkeit. – Es wäre ein unmögliches Wunder, wenn dich keines anfiele; stelle dir daher seine Ankunft vor; jeden Tag mache dich auf viele gefaßt. – Denke dir das Weltenheer und die Plagen auf diesem Weltstäubchen. – Was ist sechzig Jahre Schmerz gegen Ewigkeit?« Oder er suchte sich über seine Mißerfolge zu trösten: »Die meisten Menschen urteilen so elend; warum willst du von einem Kinde gelobt werden? – Niemand achtet dich in einem Bettlerrock; sei also nicht auf eine Achtung stolz, die man dem Kleide bezeugt.« In diesen Aufzeichnungen schlug der Puls seines wahren Wesens, reiner als in den Satiren.
»Jeden Tag mache dich auf viele Wunder gefaßt«, hatte er in das Trostbüchlein eingetragen, aber keines wollte sich ereignen. Die Michaelismesse mit neuen
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