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Saemtliche Werke von Jean Paul

Saemtliche Werke von Jean Paul

Titel: Saemtliche Werke von Jean Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Paul
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einige Richtwege festgelegt. Ständig entstanden neue Satiren, wurden an Meißner und an Archenholz oder später an Bartuch für das»Journal des Luxus und der Moden« gesandt, kamen zurück oder wurden gedruckt. Weiter rannte die Satirendichtung gegen den Despotismus der kleinen Fürsten an oder die Modetorheiten der Frauen oder die menschlichen Schwächen der Geistlichen. Witzige Einfälle jagten einander, von denen heute noch humoristische Zeitschriften einige Jahre zu leben hätten. Und ganz versiegte der Strom niemals. Noch in den spätesten Werken wird die Darstellung immer wieder durch »Extrablätter« oder andere Einschiebsel unterbrochen. Der »Witz« in dem tiefen Sinne der »Vorschule der Ästhetik«, das heißt der einmalige Einfall, der wie ein Blitzstrahl durch ganze Welten fährt und die fernsten Dinge miteinander verbindet, blieb für Jean Paul dasselbe, was andern Dichtern die Lyrik ist. Später näherten sich diese Einfälle auch in der Form der sogenannten »Streckverse« der lyrischen Gattung. Es war beschwingte Prosa, von einem lyrisch »witzigen« Einfall genährt, wobei wir bei dem Wort »Witz« nie an die heute herrschende banale Bedeutung des Worts zu denken haben. Hier wurden die auffälligen Erscheinungen des Daseins wirklich bis in ihre tiefste Wurzel verfolgt und gaben ihr Äußerstes an Essenz alles Lebens her.
     
    Zwei unmittelbar aufeinanderfolgende Ereignisse erschütterten von neuem Jean Pauls Lebensbahn. Mitte April 1789 ging sein Bruder Heinrich, damals neunzehn Jahre alt, aus Verzweiflung über das Elend seiner Familie, das er nicht mehr ertragen konnte, in die Saale und wurde als Leiche herausgefischt. Und höchstens zwei Wochen später mußte Jean Paul Töpen verlassen und in die Stube der Mutter zurückkehren. »Oerthel mußte,« schrieb er am 28. April schon von Hof aus höhnend an Hermann, »nachdem er sich und seinen Wald diesen harten Winter hingefristet, aus Alimentenmangel seinen ihm so teuren Hofmeister abdanken und kann nie mehr daran denken, einen neuen zu bestreiten.« Ob allein des Kammerrats allbekannter Geiz die Ursache der Kündigung war, wissen wir nicht. Unmittelbar nach Jean Pauls Fortgang begann jedenfalls ein unerquickliches Gezänk über Oerthelsche Bücher, die Jean Paul wohl an Bekannte verliehen hatte und nicht sogleich zurückgeben konnte. » A celui, qui m’a connu et oublié! « schrieb Jean Paul an seinen einstigen Schüler, den kleinen Christian von Oerthel. Aber es stellte sich heraus, daß Christian mit alter Liebe an ihm hing, nur hatte ihm der Vater die Korrespondenz mit dem in Töpen Verfemten verboten. Dafür schrieb der Kammerrat selber: »Schicken Sie dahero mir das widerrechtlich mitgenommene sowohl als eigenmächtig verliehenes, und bezahlen Sie, was Sie schon lang zu tun versprochen, dann bleiben Sie, was Sie in Ihrem Geiste sein mögen. Bei Unterlassung eines als des andern werde sodenn notgedrungen meine Messures schon zu nehmen wissen.« Jean Paul antwortete durch Übersendung eines Dedikationsexemplares. »Da ich das Glück habe, mit einer Gilde und Garnitur von Gläubigern umzogen in der Welt herumzugehen: so kann ich Sie, da das Kreditorenkorps nicht so viel wie Sie allein besitzt, nicht eher bezahlen, als bis ich die minder reichen bezahlt habe.« Noch den Winter über zog sich der Streit um fehlende Bücher hin, und man wird in diesem Punkte Jean Paul von einer gewissen Sorglosigkeit nicht freisprechen können. Auch Christian glaubte er sich wiederholt entfremdet, und das war das eigentlich Unangenehme für ihn. Aber sein alter Schüler ließ trotz des Korrespondenzverbotes keine Gelegenheit beiseite, an den geliebten Lehrer zu schreiben. Noch im März nächsten Jahres richtete er an ihn einen langen und ausführlichen Brief, glaubte nur von einem Besuch in Töpen abraten zu müssen, da er leider »für einen kleinen Ausbruch des Unwillens meines lieben Vaters, da er sich so leichte nicht lenken läßt«, nicht einstehen könne. Jean Paul hat das schmerzliche Erlebnis eines so brutalen und ungebildeten und dabei der höchsten Ehrenstellen genießenden Menschen wie des Kammerrats nur schwer verwunden. Diese Gestalt schrieb sich ihm in die Brust und sollte immer wieder in seinen Dichtungen auftauchen, von dem Kommerzienagenten Röper in der »Unsichtbaren Loge« an bis zum Kaufmann Neupeter in den »Flegeljahren«.
    Jean Paul hauste nun wieder in dem alten Zimmer, und es mochte sogar ein gewisser Reiz für ihn darin liegen, von

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