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Saemtliche Werke von Jean Paul

Saemtliche Werke von Jean Paul

Titel: Saemtliche Werke von Jean Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Paul
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Katzenberger hin, erfüllen.
    Aber in Erlangen geriet er von neuem in furchtbare Not. Eine von den Ottos versprochene Unterstützung blieb aus, und er drohte, aufs Geratewohl davonzulaufen. Der Plan einer Dozentur in Erlangen für Chemie und Physik zerrann an den dürftigen Lebensumständen des genialen Mannes. Jean Paul schrieb ihm zur Zeit, da er ganz niedergedrückt war und die alte Hypochondrie von ihm Besitz ergriff: »Zu andern muß man sagen: sei, was du scheinst; zu dir: scheine, was du bist. Erdulde noch einmal wie ein Mann das Alpdrücken des Schicksals.« Und nun kommt die wundervolle Stelle, die schon den ganzen Jean Paul in dem Glanz seiner wie aus lichter Höhe quellenden Sprache enthält: »Es wird dich einmal jemand bei Namen nennen, du wirst die Augen aufschlagen und statt der quetschenden Gespenster die Sonne erblicken.« Aber Hermann sollte jene Sonne nicht mehr erblicken.
    Auch in Erlangen hielt es ihn nicht. Sein zweites Buch war inzwischen erschienen, »Über Feuer, Licht und Wärme«. Es brachte keine Wendung in sein Leben. Mit einer von ihm geliebten Geheimtuerei enthielt er den Freunden vor, wohin er sich wenden wollte oder deutete es nur mysteriös an. Am 6. September traf er nach einer von schrecklichen Kolikanfällen begleiteten Fußreise in Göttingen ein. Es war die Stadt, die er nicht mehr verlassen sollte.
    Inzwischen war es Jean Pauls jahrelangem Bemühen endlich geglückt, die volle und ungeteilte Freundschaft Hermanns zu erringen. Im August 1788 schrieb Hermann ihm, daß man wenigstens einen Menschen sich wünsche, mit dem man ganz aufrichtig sein könne, mit dem man wie mit einem alles durchsehenden Gotte müsse umgehen können, und dieser eine sei er, Richter! aber noch nicht länger als seit etwa drei Vierteljahren, in seinen Augen. Vielleicht durch diesen Satz erst wurde ihm der Freund zu einem zweiten Ich. Er fühlte sich magisch mit ihm verbunden. In seinem späteren Schaffen warf er beider Wesen in einen Schmelztiegel zusammen und legte die Masse wiederum in die beiden Ichs auseinander, die die Pole seines wie Hermanns Wesen bildeten. Im Leibgeber und Siebenkäs, in Walt und Vult waltet die Liebe zu Hermann.
    Ein widriges Geschick hatte den zartesten Menschen in das härteste Leben gestoßen, und der Zufall brachte es mit sich, daß Hermanns Hang zu den Naturwissenschaften ihn zum medizinischen Studium führte. So kamen zu dem eigenen Elend noch tägliche Eindrücke fremder Not und fremden Leidens. Die vielfältigen Möglichkeiten von Erkrankungen und körperlichen Qualen umstanden ihn immerwährend, und er reagierte auf diese Eindrücke mit Hypochondrie oder einem Zynismus, in dem sein Ekel an den Widrigkeiten des Daseins sich Luft machte. Von Erlangen aus hatte er eine Schilderung seines Praktikums in Geburtshilfe dem Freunde geschickt, die von Zynismen strotzte. Je scheuer er dem Weibe gegenüberstand, um so tiefer mußte es ihn verletzen, sich mit dem Mechanismus des weiblichen Körpers zu befassen. Zum erstenmal hatte er in der Erlanger Klinik den Zeigefinger in eine lebendige Vulva stecken müssen. »Wie wird mir’s gehen, wenn ich einmal bei meiner Frau mit dem eilften Finger touchieren soll.« Seitdem hörte er nicht mehr auf, auf das Mechanische beim Liebesvorgang anzuspielen, und der gleich scheue und zart empfindende Jean Paul, in die Seele des Freundes hinein verletzt, antwortete in der gleichen Tonart, auch er vor diesen Eindrücken in zynische Redewendungen sich flüchtend. »Wo bist du jetzt eigentlich in Condition?« fragt Hermann aus Göttingen an. »In Schwarzenbach oder in Venzka? Ha! ha! jetzt fällt mir wie neu auf einmal die griechische Nase und die so fein geschlängelte Mundeslinie ein; ja, ja, du hast recht: Noscitur ex labiis, quantum sit virginis antrum; noscitur ex naso, quanta sit hasta tua. – Und das Hirschberger Bier dazu! Potz Sapperment, da brauchst du weiter keine Aphrodisiaca . Und hinc illae lacrimae , daher die Verbergung deines straubichten Haares.« (Es war eine Anspielung auf den damals bereits wieder angelegten Zopf.) Oder Hermann schrieb, als er schließlich in Göttingen ein Unterkommen als Hofmeister eines französischen Grafen gefunden hatte, von dessen »unbändiger Gabe zu forzen«, gegen die Hermann mit einer strengen Diät zu Felde zog. Und Jean Paul antwortete in drastischen Purzelbäumen. In diesen Briefstellen wurde die Gestalt Ottomars aus der »Unsichtbaren Loge« geboren, der von den Widrigkeiten des Daseins

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