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Saemtliche Werke von Jean Paul

Saemtliche Werke von Jean Paul

Titel: Saemtliche Werke von Jean Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Paul
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Romans. In sich selbst hatte er die erste der Hauptgestalten vor sich. Aber die eigentliche Empfängnis kam ihm wohl doch von der Figur Hermanns. Schon am 20. Mai 1788 hatte er nach Erlangen an den Freund geschrieben: »Ich bin des Teufels, wenn ich nicht einmal deinen ganzen Charakter in einen Roman pflanze.« Immer tiefer hatte sich später die Gestalt seines »von der Natur geliebten, vom Schicksal gehaßten« Freundes ihm ins Herz geschrieben, und besonders ein Wesenszug in Hermanns Lebensgeschichte war es, der ihn erschüttert hatte: daß dieser von der Natur zu den höchsten wissenschaftlichen Aufgaben bestimmte Jüngling sich infolge gemeiner Not immer wieder auf niederziehende Tätigkeit angewiesen sah, um bloß das nackte Leben zu fristen. Ein »verhinderter« Großer, so stand er ihm vor Augen, einer, der berufen war und dem Ruf infolge äußerer Hemmungen nicht folgen konnte. Und ganz plötzlich mochte ihm diese Gestalt zusammenschmelzen mit der Gestalt eines Thronprätendenten, den äußere Hindernisse von der Thronfolge ausschließen und der statt Großes zu wirken, sich in Untätigkeit und Ohnmacht verzehren muß, indes Minderwertige im Besitz der Macht schwelgen und das Land zugrunde richten. So ging Hermann als Kapitän Ottomar in den Romanplan ein.
    Noch von anderer Seite floß der »Unsichtbaren Loge« Stoff zu. Ein Erziehungsroman schwebte Jean Paul vor. Ein Mensch sollte von Kindheit an der menschlichen Vollendung zugeführt werden. Gerade die Beschreibung der Kindheit und ersten Jugend mußte den Jüngling besonders interessieren. Er wußte ja noch nichts von den besonderen Erlebnissen des reifen, des alternden Mannes. Er kannte den Tod, aber nicht die ausgereifte zweite Hälfte des Daseins. Der Schwerpunkt lag ganz natürlich auf der ersten Entwickelung. Hier konnte der Dichter aus dem Reichtum der eigenen Kindheit ohne Aufhören spenden. Das erste Erwachen in Wunsiedel, die bukolischen Jahre in Joditz konnten wiedererstehen, vom Zauber der kindlichen Phantasie vergoldet. Aber im Grunde wollte er doch noch anderes, brauchte er eine Figur außerhalb seiner Selbst, die er den Lebensweg hinanführte. Er selbst war ja inzwischen Erzieher geworden, sah in die Kindheitsdämmerung von einem erhöhten Standpunkt bereits hinein. Aus seinen Zöglingen mußte ihm die Hauptfigur seines Erziehungsromans zuwachsen. In Christian Oerthel hatte er einst das Idealbild eines Knaben vor sich zu haben geglaubt. Von diesem ersten Schüler sah er sich getäuscht und verlassen seit dem Zerwürfnis mit dem Kammerrat, wenn er auch später erkannte, daß es nur das Gebot des Vaters war, was den Knaben von ihm ferngehalten. Durch diesen Konflikt mußte ihm das Verhältnis des Erziehers zu seinem Schüler nur teurer, problematischer, umstrittener werden. In Schwarzenbach war es nun besonders Georg Clöter, den er unter seinen Schülern am meisten liebte. Auf ihn verwandte er die größten Energien und durfte hoffen, in diesem Knaben das hohe, starke und reine Bild der Menschheit aufzurichten, das ihm vorschwebte. Vielleicht flossen ihm auch Züge aus allen seinen Schülern zu, jedenfalls gewann er aus dem Verkehr des Lehrers mit seinen Zöglingen die Hauptgestalt des Romans: Gustav.
    Es waren also drei Helden, die den Gang des Buches bestimmten: Gustav, der Schüler; Jean Paul selbst als Erzieher und schweifender Jüngling; Hermann Ottomar als verhinderter Thronprätendent. Erst im »Titan« gelang es ihm, alle diese Eindrücke in eine einzige Gestalt: Albano zusammenzufassen. Die drei Welten, die er gestalten wollte, zerlegte er dort in ein Nacheinander der Geschichte, schilderte den den höchsten Zielen zustrebenden Jüngling, rückgreifend die Jahre des Knaben mit ihrem keuschen Enthusiasmus, und schließlich die Entwickelung zum Manne. Ließ den Jüngling durch das Reich einer schwärmerischen und über die Wirklichkeit hinausgreifenden Liebe gehen, ließ ihn dem titanischen Drang einer dämonischen Frau erliegen, um ihn schließlich der Verbindung mit Idoine entgegenzuleiten, ein Verhältnis, das bei aller Köstlichkeit fähig war, in die Wirklichkeit einzugehen, und ließ schließlich nach dieser dreifachen Entwickelung seinen Helden den Thron als höchste Aufgabe gewinnen. In dieser Gliederung einer Jugendentwickelung war alles eingefangen, was in der »Unsichtbaren Loge« noch durcheinanderdrängte. In diesem ersten Roman standen sich drei Repräsentanten gegenüber, von denen jeder als eine nächste Stufe des

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