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Saemtliche Werke von Jean Paul

Saemtliche Werke von Jean Paul

Titel: Saemtliche Werke von Jean Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Paul
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Anschauungen Jean Pauls vielmehr die stärkste Probe, in der der Held sich zu bewähren hatte. Menschlichkeit, reines Gefühl für die Not der Beherrschten, enges Verschmolzensein mit den großen Idealen der Geschichte und des Lebens, höchste »Tugend« in dem erörterten Sinne, – das alles konnten seine Helden nur in einem bürgerlichen Kreise gewinnen, unter Verhältnissen, in denen sich das wirklich menschliche Dasein mit Elend und Liebe, mit Tod und Freude ihnen öffnete. Die Hofgesellschaften, ja schon die Reichen waren des unmittelbaren Erlebens bar. Nur in der bürgerlichen Gesellschaft gab es Natürlichkeit und Gemeinschaft, Glück und Unglück. Das Leben, wie es ihn jetzt umgab, da er in seiner Gesellschaft von Freunden dem von ihm ideal erfaßten Erzieherberuf nachgehen durfte, da ein Kreis von Jünglingen und Mädchen mit ihm schwärmte und liebte und litt, – ein solcher Kreis war ihm das Leben selbst, zum mindesten die hohe Schule des Lebens.
    Jede Erziehung muß auf ein Ideal hin gerichtet sein. Niemand wußte das besser als Jean Paul selbst. Das Leben des künstlerischen Betrachters oder des Menschen der Tat: diese beiden Möglichkeiten schwebten ihm vor. Man hat seiner Erziehung den Vorwurf gemacht, daß er seine Kinder zu Dichtern zu erziehen suche und ihnen das nahe Verhältnis zur praktischen Wirklichkeit raube. Jean Paul war stets zu sehr von dem ihm selbst vorschwebenden Lebensideal gefesselt, als daß nicht dieses immer wieder seine erzieherischen Absichten im Grunde bestimmen sollte. Was er wollte, war aber dennoch etwas anderes. Schon sein Bevorzugen der realen Fächer zeigt, daß er seine Zöglinge zum mindesten nicht zu künftigen Dichtern und Gelehrten erziehen wollte . Aber dennoch modelte er alle seine Gestalten, der Dichtung und der Erziehung, sich selbst unbewußt, nach seinem Ebenbild. Und genau, wie seine jungen Schüler den Eindruck frühreifer junger Gelehrten erwecken, genau so sind seine Helden junge Dichter, und statt zum wirkenden Leben geführt zu werden, weichen sie der Wirklichkeit in das Reich der Träume aus.
    Jean Paul kannte diese Gefahr. Es war der Grund, weshalb er versuchte, seine Helden zu Herrschern emporzuführen. Zweimal durchkreuzte die eigene Veranlagung seine Absichten. Weder Gustav, der Held der »Unsichtbaren Loge«, noch Viktor, der Held des »Hesperus«, treten am Ende ihrer Erziehung wirkend ins Leben hinaus. Sie sind Dichter und Träumer, allerdings von einer umfassenden Art dichterischen Menschentums. Erst in Albano, dem Helden des »Titan«, gelang der große Wurf. Albano wächst zu den höchsten Herrschertugenden heran, zu Umsicht, Reife, Menschenkenntnis und Liebe.
    In der »Unsichtbaren Loge« waren die Lebensideale noch am meisten auseinandergehalten und daher am wenigsten miteinander verschmolzen. Es lag an der Vielheit der Eindrücke, die Jean Paul sämtlich in seinem Erstling zu verarbeiten trachtete. In dem ersten Schwarzenbacher Sommer tauchte der Plan des Romans in ihm auf. Ganz plötzlich mochte es ihm aufgehen, daß sein eigenes Dasein wie ein Roman vor ihm lag. War er selber nicht eine Romanfigur, wie sie nicht besser zu ersinnen war, mit seinen starken Eigenheiten, der Unsicherheit, dem Fliegenden seiner Existenz? Er sah sich in seinem kleinen Schulmeisterhäuschen sitzen, mit kargen Möbeln ausgestattet, gegen das grelle Sonnenlicht eine Landkarte vor das Fenster spannend. Der seltsame Verfasser der »Grönländischen Prozesse« und der »Teufelspapiere«, die niemand lesen wollte und die seine Erscheinung mit einem Nimbus von Bedenklichkeit und erwählter Narrheit umgaben. Dazu seine Erlebnisse im Hause des Kammerrats von Oerthel. Habgier und Brutalität prallten hier zusammen mit der Reinheit eines idealen Strebens. Der Tod zweier Freunde, der ihn aufs tiefste erschüttert hatte. Sein Umherirren auf den Bergen, seine Wanderungen zwischen Hof, Venzka, Töpen und Schwarzenbach, und jetzt die ersten Liebeserlebnisse mit den Höfer Freundinnen. Die Liebesfreundschaft mit Renate Wirth. Er im Kreis der Hofer Gesellschaft, auf dem Klavier phantasierend und erzählend, daß die Zuhörerinnen gespannt an seinen Lippen hingen: das war schon ein Leben, es in einen Roman zu pflanzen. Welche größere Konzeption er auch auszuarbeiten sich anschickte, immer mußte die eigene Gestalt darin auftreten, weil er sich selbst allzu gierig an alles Menschliche im weiten Umkreis heftete und daran haftenblieb.
    Er selbst war der eine Ausgangspunkt des

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