Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Saemtliche Werke von Jean Paul

Saemtliche Werke von Jean Paul

Titel: Saemtliche Werke von Jean Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Paul
Vom Netzwerk:
Absolute erhobenes Menschentum, wie Kants kategorischer Imperativ ins Absolute erhobene Sittlichkeit ist. Jean Paul verzichtet nicht auf die Bindung des Menschen ans Leben. Wir sahen, wie er die Sittlichkeit mit einer kosmischen Verantwortung belastete. Der harmonische Mensch, die Erfüllung der Humanität im Sinne Herders, konnte ihm nur im großen Wirken in die Welt hinein gegeben werden. Das »Jeder ist an Allem schuldig« der christlichen Ethik war umzugestalten in die reinigende Kraft des sittlichen Menschen: sein Selbst hinzugeben, um sein Selbst zu gewinnen. Nur an der größten Aufgabe kann der größte Mensch sich entfalten. Handle so, gestaltete Jean Paul den kantischen Imperativ für sich um, als wenn du Herrscher wärest und alle Verantwortung der Erde auf dir läge. Erziehung zur höchsten Sittlichkeit, das Lebendigmachen der Tugend, – das ist die Substanz Jean Paulscher Dichtung, der alles andere untergeordnet ist.
    Kant löste die Sittlichkeit aus der Totalität des einheitlichen Menschen ab von seinen andern Funktionen. Er zerlegte den Menschen in ein denkendes, wollendes und fühlendes Wesen und gab jedem Teil sein eigenes Gesetz. Jean Paul aber nahm den Menschen in seiner Totalität. Denken, Fühlen, Wollen, alles wollte er durchtränkt wissen von dem Glauben an göttliche Weltordnung, oder genauer: einem Glauben, der göttliche Weltordnung wirkt. Ein Mensch, dessen Willen über seine andern Funktionen hinaus entwickelt ist, war ihm nicht mehr zur Verkörperung dieser höchsten schöpferischen Tugend fähig. Aus allzu hartem Material ist nichts Vollendetes mehr zu formen. Weichheit und Eindrucksfähigkeit der Seele waren ihm die Voraussetzungen der menschlichen Vollendung. Das von heiligem Glauben erfüllte Gemüt allein glaubte er, wenn es durch Schicksal geläutert würde, der Vollendung und dem höchsten Beruf zuführen zu dürfen. Das Erfülltsein von diesem heiligen Glauben war ihm die einzige Voraussetzung. »Nie liebte ich Gott und die Tugend mehr«, sagt Beate im Augenblick der Liebeserfüllung. Bis zu dieser Ebene leitete Jean Paul die Handlung hin. Aber ursprünglich sollte sie weiterschwingen, nicht nur bis zum Glauben und der Liebe des Guten, sondern zu seiner Verwirklichung in der menschlichen Gemeinschaft: im Staat.
    Dieser Entwickelung breitete er den Schauplatz der Erde. Nie wieder hat ein Dichter nach Jean Paul die Erde so mit kosmischem Allgefühl überströmt. »Wir und dieses Räupchen stehen unter und in drei allmächtigen Meeren, unter dem Luftmeer, unter dem Wassermeer und unter dem elektrischen Meere; gleichwohl sind die brausenden Wogen dieser Ozeane, diese Meilen-Wellen, die ein Land zerreißen können, so geglättet, so bezähmet, daß der heutige Sabbath-Tag herauskömmt.« Der nach der Stellung des Mondes die Richtung der Winde voraussagte, stand immer unter den Gesetzen der Natur, fühlte das Rauschen der himmlischen Kräfte im Luftmeer und das Ziehen der Gewalten über unsern Häuptern. Das Verlorene des Lebens auf der Kruste der Erde war ihm ständig neues und starkes Erlebnis. Er spürte die ewige Bewegung der Gebirge und das Aufsteigen der Erdschichten aus der Tiefe. Er sah die biologischen Gesetze im Leben der Menschen walten, und jedes Wort und jede Geste war ihm in Mythos getaucht.
    Aus diesen Elementen: dem Leben und Tod zweier Freunde, der eigenen Gestalt, seinen Erlebnissen in Venzka und Töpen, seinem kosmischen Allgefühl und der Last kosmischer Verantwortung – aus alle diesem schuf er sein erstes größeres Werk.
     
    Dem eigentlichen Roman ist eine Vorrede vorausgesetzt. Nicht ohne Absicht wird sie in die Gegend von Wunsiedel verpflanzt. »Ich wollte den Vorredner anfangs in Sichersreuth oder Alexandersbad bei Wonsiedel verfertigen, wo ich mir das Podagra wieder in die Füße hinunterbaden wollte, das ich mir bloß durch gegenwärtiges Buch zu weit in den Leib hinaufgeschrieben.« Aus den Tagen seiner Kindheit sollte sein erster dichterischer Aufstieg erfolgen. Er verklärte in der »Unsichtbaren Loge« die ihm ans Herz gewachsene Gegend des Fichtelgebirges und griff auf Wunsiedel und seine romantische Umgebung zurück. In tiefem Tal liegt die Stadt, hart unter der Steilwand des Katharinenberges, auf der malerisch eine Schloßruine Stadt und Tal überragt. Über den Berg schleppt sich der Weg nach Alexanderbad, das wieder im Tal liegt. Wie die Glieder einer Fuge ziehen sich die Talschluchten durch das Gebirge, suchen, fliehen sich, wachsen ineinander.

Weitere Kostenlose Bücher