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Saemtliche Werke von Jean Paul

Saemtliche Werke von Jean Paul

Titel: Saemtliche Werke von Jean Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Paul
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ganzen Literatur, erwuchs doch in viel höherem Grade aus jener Belastung des menschlichen Verhaltens mit der ungeheuren Verantwortung gegenüber dem Gesamtleid der Welt.
    »Und ihr, entsetzlichen Seelen,« heißt es in der Unsichtbaren Loge, »die ihr einen Fehltritt… unter eure Vorzüge und eure Freuden rechnet, die ihr die Unschuld nicht… verliert, sondern fremde mordet… was werdet ihr noch aus unserm Jahrhundert machen? – Ihr gekrönten, gestirnten, turnierfähigen, infulierten Hämmlinge! . . . in euren Ständen hat Verführung keinen Namen mehr, keine Bedeutung… – aber in unsere mittleren Stände, auf unsere Lämmer schießet ihr Greif- und Lämmergeier nicht herab… Nur in einem Jahrhundert wie unseres, wo man alle schönen Gefühle stärkt, nur das der Ehre nicht, kann man die weibliche, die bloß in Keuschheit besteht, mit Füßen treten und wie der Wilde einen Baum auf immer umhauen, um ihm seine ersten und letzten Früchte zu nehmen… Das, was der Scharfrichter am Manne tut, vollstreckest du an einem armen Geschöpfe, das seinen Henker liebt und bloß seine unverhältnismäßige Phantasie nicht bändigen kann… Und solche Opfer, welche die männlichen Hände mit einem ewigen Halseisen an die Unehre befestigt haben, stehen in den Gassen Wiens zweitausend, in den Gassen von Paris dreißigtausend, in den Gassen von London fünfzigtausend… Sanftes, treues aber schwaches Geschlecht! . . . gerade im Jahrhundert eurer Verschönerung vereinigen sich alle Schriftsteller, Künstler und Große zu einem Wald von Giftbäumen, unter denen ihr sterben sollt, und wir schätzen einander nach den meisten Brunnen- und Kelchvergiftungen für eure Lippen!«
    Noch nie war der Jammer der Kreatur in der deutschen Dichtung derart zum Ausdruck gebracht worden, und neben diesem kühn an die Wand geworfenen Bilde erhob sich nun das Gelöbnis der Sittlichkeit; keiner Moralität ins Absolute, sondern in die Wirklichkeit hinein. Menschheitsgewissen wurde lebendig, sah den ungeheuren Komplex des Lebens als organische Einheit, sah die Menschheit unter den Geißelhieben der Gewaltigen und Herren stöhnen. Hier mit einem Werk von überzeugender Gewalt einzugreifen, nicht im Sinne politischen Pathos’, aber im Sinne eines Appells an die Seelen, das stand Jean Paul vor Augen, als er seinen ersten großen Roman entwarf. In ihm durchdrangen sich der Wille zur Darstellung mit dem Willen zur Umwandlung menschlicher Gemeinschaft. Dichter wollte er sein, aber einer, der sein Leben voll einsetzte für die Sache der Menschheit, die zu führen ihm auferlegt war.
    In dem Bilde, das ihm vorschwebte, durften die Großen dieser Erde nicht fehlen. An ihnen hatte sich seine Satire schon überreichlich erprobt. Er sah die Landesfürsten nun nicht in der Gestalt der großen Preußenkönige vor sich, deren größtem er noch wenige Jahre zuvor in seinen Briefen ein Denkmal gesetzt hatte, sondern er sah sie als die kleinen Parasiten an dem Körper des deutschen Volkes, in der Gestalt dieser eigenartigen deutschen Duodezfürsten des Barock und des Absolutismus, der alle üblen Instinkte durch Fortfall jeglicher Hemmungen in ihnen zum Ausbruch gebracht hatte. Sie, die infolge der deutschen Ohnmacht und der geschichtlichen Entwickelung keine Gelegenheit hatten, einer großen politischen Idee zu dienen und deshalb in schamloser Ausnutzung ihrer Gewalt auf Kosten ihrer Völker ein schrankenloses Genußleben führten, umstellt von gewissenlosen Dienern, die an ihrem Raub sich bereicherten, – diese Gestalten hatte Jean Paul allerdings in den eigenen Landesfürsten deutlich vor Augen. Und der Zufall wollte, daß der drohende Erbfolgestreit noch besonders das Augenmerk der Bevölkerung von dem Baireuther Hof auf den benachbarten preußischen lenkte.
    Schon Friedrichs des Großen Schwester, deren bekannte Briefe eine freilich mit Vorsicht zu genießende Fundgrube kulturgeschichtlicher Eindrücke sind, hatte sich als Markgräfin von Baireuth eine Generation vor Jean Paul unauslöschlich in die Entwickelung der kleinen Residenz eingeschrieben. In einem Zeitraum von kaum zwanzig Jahren wurden fast alle die Schlösser in der Hauptstadt des Landes und ihrer näheren Umgebung mit den Mitteln eines kaum 180 000 Einwohner zählenden Landes errichtet, die noch heute das Bild Baireuths bestimmen. Das alte Schloß und die neue Residenz, die beiden Lustschlösser Eremitage und Fantaisie, die zu den prunkvollsten Baudenkmälern jener an Prunk reichen Zeit

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