Saemtliche Werke von Jean Paul
meinen Freund zu einer Reise auf die nächsten Tage mitzunehmen, damit wir den vergangenen aus dem Wege gehen«, schreibt Fenk nach einigen Tagen an Gustav. Der begleitet den älteren Freund auf eine Dienstreise. Gestärkt kehren sie nach einiger Zeit zurück, und ihr Weg führt sie an Ruhestatt, dem Rittersitz Ottomars, vorüber. Der Tempel ist erleuchtet. Im Innern der Kirche finden sie eine Trauerversammlung. Auf der Bahre liegt ausgestreckt ein Toter, den sie nicht erkennen. Nach der Trauerfeier nahen sie sich der Leiche. Es ist Ottomar, dessen Rückkehr aus Italien und Tod ihnen gleich überraschend kommt. Von diesem neuen Schlage ist Fenk ins innerste Herz getroffen. Still kehrt er um und setzt seine Reise allein fort. Gustav wagt ihn nicht zu begleiten.
Erst jetzt begann in Gustav die seltsame Szene am Totenbett des Freundes nachzuwirken. Das Gedenken an Amandus mischte sich mit dem Bilde der Geliebten. In feierlicher Stimmung sucht er die Totenpyramide auf dem Eremitenberg auf. Von der seelischen Erschöpfung der letzten Tage sinkt er wie tot an ihrem Fuß nieder. Hier ist es, wo Beate den Schlummernden findet. Eine jener ganz großen Szenen Jean Paulscher Kunst beginnt, weit über die Alltäglichkeit hinauswachsend, von einer Tiefe der Empfindung getragen, die jedes Wort wie aus einer höheren Welt genommen erscheinen läßt. Der Schlafende träumt, und da er erwacht und Beate neben sich sieht, glaubt er gestorben zu sein, und hemmungslos, im freien Gefühl der Reinheit und Erhabenheit seiner Liebe, spricht er Worte der Hingabe aus. Unter der andringenden Gewalt seines Geständnisses sinkt sie für einen Augenblick in Ohnmacht nieder. Höchstes Vergehen in gegenseitiger Umarmung winkt. »Beate, wir sterben jetzt, und wenn wir tot sind, sag ich dir meine Liebe und umarme dich.« Zu hoch für diese Welt scheint das Gefühl, das einem höheren Himmel aufgespart werden muß. »Die erhabene Minute verging, die seligste fing an; Beate erhob ihr Haupt und zeigte Gustav und dem Himmel auf dem zurückgebogenen Antlitz das irre überweinte Auge, die erschöpfte Seele, die verklärten Züge und alles, was die Liebe und die Tugend und die Schönheit in Einen Himmel dieser Erde drängen können. – – Da kam der überirdische durch tausend Himmel auf die Erde fallende Augenblick hier unten an, der Augenblick, wo das menschliche Herz sich zur höchsten Liebe erhebt und für zwei Seelen und für zwei Welten schlägt, der Augenblick vereinigte auf ewig die Lippen, auf denen alle Erdenworte erloschen.«
Seit sie von dem Hügel in ihre Wohnungen zurückkehrten, fing das Räderwerk des Hoflebens Gustav von neuem ein. Beate aber fuhr am nächsten Morgen nach Maußenbach, hauptsächlich um ihrer Mutter um den Hals zu fallen und ihr alles zu gestehen. Frau von Röper sucht die Tochter von dem Törichten dieser Leidenschaft zu überzeugen. Nie würde ihr Vater, der längst anders über sie bestimmt, diese Verbindung mit der ihm verhaßten Familie zulassen. Beate aber kehrt fest entschlossen nach Scheerau zurück, allen Hindernissen zum Trotz ihre Liebe durchzusetzen. Auch sie fängt der Lärm des Hoflebens ein. Ein Theaterstück soll aufgeführt werden, das Herr von Oefel zu festlichem Anlaß gedichtet. Gerade ihr ist, wie auch Gustav, eine der Hauptrollen zugedacht worden. Unter den Vorbereitungen des Festes kommen die Liebenden nicht zueinander. Kaum daß sie sich bei der Residentin einmal sehen. Unter deren scharfem Blick suchen sie ihre Liebe zu verbergen, aber die Bouse errät alles, und um so größer ist ihr Wunsch, Gustav in ihre Arme zu locken. Mit einer hohen Meisterschaft bereitet Jean Paul auf Gustavs Fall vor. Mit ewiger Glut brennt seine Liebe zu Beate, und doch verfängt er sich wie ein Kind im Netz der raffinierten Verführerin, ohne deren Ziel zu ahnen. Bei der Aufführung steckt er Beaten, als er ihr in seiner Rolle ein Schreiben zu überreichen hat, einen wirklichen Brief zu. Sie erkennt seine List sofort, aber die Überraschung läßt sie doch in eine rasch vorübergehende Ohnmacht sinken. Nach dem Spiel muß sie sich zurückziehen. Gustav, das Herz ganz von ihr erfüllt, gibt sich der Lust des Abends hin. Immer verliebter wird er, »ohne zu wissen in wen«. Die Residentin ist »keine von den Koketten, die die Sinne früher zu bewegen suchen als das Herz«. Dieser Kunst, die mit den tiefsten Empfindungen spielt, fällt er zum Opfer. Infolge eines Unfalls mit dem Wagen muß er die Bouse nach Hause
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