Saemtliche Werke von Jean Paul
sie, wie das Parterre eines Dorfkomödianten zusammengetrommelt. Im Marschschritt und hinter dem Kommandowort erstieg diese Miliz den Speisesaal als ihren Wall und nahm von der Festung nichts weg als die Mundporzion für einen halben Tag. Der Kommandozuck riß sie von ihren Stühlen auf und lenkte sie zur Zitadelle wieder hinaus. Man konnte Nachts die Schritte eines einzigen Kadetten zählen und man wußte die aller übrigen, weil der kommandierende Luftstoß diese Räder auf einmal trieb.« Am peinlichsten war dem fühlenden Jüngling aber das Beten auf Kommando. »Der österreichische Soldat hatte bis Anno 1756 zwei und siebzig Handgriffe zu lernen, nicht um damit den Feind zu schlagen sondern den Satan«, berichtet Jean Paul beiläufig.
In den wenigen ihm überlassenen einsamen Stunden flieht Gustav in den Park des »Stillen Landes« – so heißt der englische Garten um Marienhof –, um hier zu sinnen und an seine Freunde zu schreiben. Sehnsüchtig lauscht er dem Posthorn nach, das ihn erinnert, daß es »aus den eckigen, spitzigen, verwitternden, unorganisch zusammengeleimten Schutthaufen der getöteten Natur, die eine Stadt heißen«, noch hinausgehe »in das pulsierende, drängende, knospende Gewühl der nicht ermordeten Natur«. Mit Entsetzen malt er sich einen jener sinnlosen Kriege der damaligen Politik aus. »Ach! seitdem es keinen Tod mehr für, sondern nur wider das Vaterland gibt; seitdem ich, wenn ich mein Leben preisgebe, keines errette, sondern nur eines binde; seitdem muß ich wünschen, daß man mir, wenn mich der Krieg einmal ins Töten hineintrommelt, vorher die Augen mit Pulver blind brenne, damit ich in die Brust nicht steche, die ich sehe, und die schöne Gestalt nicht bedaure, die ich zerschnitze, und nur sterbe aber nicht töte.« – »Die Offiziere sehen, daß Gustav keiner werden will.« Aber der Wunsch des Vaters, »der bloß den stürmenden Krieger liebt«, ist gegen ihn.
Inzwischen wird Jean Paul Gerichtshalter des Kommerzienagenten Röper in Maußenbach. Röper hat sich mit seinem alten Gerichtshalter verzankt und das »Einbein« angeworben. Der Verfasser der »Teufelspapiere« sitzt gerade mit der Familie seines neuen Brotherrn am Tisch – auch Beate ist aus der Residenz auf einen Tag herübergekommen –, als Gustav in dienstlicher Eigenschaft erscheint. Er reitet einem von zwei Husaren eskortierten Wagen mit Getreide voraus, der an der Grenze abgefangen wurde, als er gerade das Getreide zollfrei herüberschmuggeln wollte. Nach Aussage der Ertappten handelt es sich um einen Wagen des Röperschen Gutes. Röper läßt den jungen Kadetten grob an, besonders als sich herausstellt, daß der Wagen nur einem Pächter gehört und der Röpersche Wagen also unbemerkt über die Grenze gekommen ist. Mit reißenden Gefühlen stürzt Gustav aus dem Zimmer. Es war dies das erste Zusammentreffen zwischen ihm und Beate. Die Feindschaft zwischen dem Röperschen und dem Falkenbergschen Hause ist durch diesen Vorfall eröffnet.
Aber noch von einer andern Seite trägt dieser Vorfall dem jungen Kadetten Leid ein. Sein Herzensfreund Amandus, der Beate liebt, wird von Eifersucht ergriffen. Mit der Hellsichtigkeit des Nervenkranken spürt er die innere Verbindung, die von Gustav zu Beate bei ihrer ersten Begegnung sich schlang. Amandus vermutet, daß Gustav schon lange mit Beate in heimlicher Verbindung sei und ihn täusche. Unterstützt wird dieser Verdacht durch eine seltsame Beobachtung. Gustav verreist regelmäßig von Zeit zu Zeit auf fünf Tage. Niemand kennt seinen Aufenthalt während dieser unerklärlichen Abwesenheit. Das »Einbein« selbst bekennt, darüber im Dunkeln zu tappen. Wie sich später herausstellt, hängt diese heimliche Reise mit der Entführung Gustavs in seiner Kinderzeit zusammen. Er ist in geheime Beziehungen verstrickt worden, die ihn unter anderm auch mit Ottomar in Verbindung gebracht haben. Zum erstenmal taucht hier das Motiv einer unsichtbaren Gesellschaft auf, nach der der Roman benannt ist. Amandus dringt in den Freund, ihm das Geheimnis zu verraten, der aber ist durch Eid gebunden, und seine Zunge muß auch dem Freund gegenüber stumm bleiben. Der erste ernste Konflikt zerreißt die Freundschaft der Jünglinge. Amandus glaubt, daß Gustavs Reise mit Beate in Zusammenhang stehe. Mit widerstreitenden Gefühlen gehen die Freunde in den Park um Marienhof. Gustav weist dem Eifersüchtigen jenes geheimnisvolle Porträt auf, das er von der Entführung in seiner Kindheit
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