Saemtliche Werke von Jean Paul
zurückbrachte und das wahrscheinlich ein Bild seines Halbbruders, des Sohnes von Falkenberg und der Frau von Röper, ist. Auch im Röperschen Hause ist ein solches Bild vorhanden, und Beate hat es oft in stillen Stunden betrachtet, in Trauer um ihren unbekannten, seit langem verschollenen Bruder, über den sie naturgemäß wenig oder nichts weiß. Bei ihrem letzten Aufenthalt in Maußenbach fand sie das Bild nicht wieder vor, weil ihr Vater es zufällig entdeckt und versteigert hatte, da er es für ein Porträt des ihm verhaßten Gustav hielt.
Während die Freunde das Porträt betrachten und, sich auf einer Wiese lagernd, es neben sich liegen haben, will es der Zufall, daß Beate durch den Park des »Stillen Landes« geht. Sie stutzt beim Anblick der beiden unvermuteten Gäste. Eine rasche Bewegung zeigt ihr das Porträt, das sie unwillkürlich für das verlorene hält. Sie nimmt es an sich, dankt für die Übermittlung des ihr abhanden gekommenen Gegenstandes und geht weiter, ehe die Freunde recht zur Besinnung kommen. Dieser Vorfall hat Amandus’ Verdacht gegen Gustav verstärkt. Er glaubt nun bestimmt zu wissen, daß die beiden im Einverständnis miteinander sind, und löst sich von Gustav unter Verwünschungen und Beleidigungen.
Der Kammerherr von Oefel, der bis dahin als Offizier im Kadettenhaus Dienst getan hatte, kehrt nach einiger Zeit in den Hofdienst zurück, weil er dort in kurzem als Gesandter an einen benachbarten Hof geschickt werden soll, um dort für den Fürsten eine Prinzessin zu freien. Dieser Auftrag ist um so schwieriger, als auch ein anderer Hof sein Auge auf die gleiche Prinzessin geworfen hat und sie durchaus dem Scheerauischen Hof abspenstig machen will. (Hier spielt der Erbfolgestreit um Baireuth hinein.) Als seinen Legationssekretär hatte nun Oefel niemand anderen als Gustav ausersehen. Oefel selbst nämlich arbeitete an einem Roman, der die Begebenheiten am Scheerauer Hof behandelt, und glaubt Gustav als Helden dieses Romans gebrauchen zu können. Er nimmt ihn also in diplomatischem Dienst in das alte Schloß mit, teils um selbst Beaten näher zu sein, teils um durch Gustav seine Geliebte, die Residentin von Bouse, von der er annimmt, daß sie sich in den hübschen Jungen verlieben würde, von seiner Person abzulenken. Gustav kommt um so lieber mit ihm in den diplomatischen Dienst, als er damit dem verhaßten Militärdienst entgehen kann. Erst vor kurzem hat er der Ehrloserklärung eines Offiziers beiwohnen müssen, die ihn aufs höchste erschütterte. »Zwei Tage war er krank, und seine Phantasieen schleiften ihn in die Räuber-Katakomben des Inhaftierten hinein.«
Gustav ist sich darüber klar, daß er durch seine Übersiedlung in das alte Schloß, in dessen nächster Nachbarschaft Beate wohnt, dem Verdacht des Freundes Nahrung geben wird. Aber in einer seltsamen Umkehrung seines Gefühls bestimmt ihn das erst recht, der Aufforderung Oefels zu folgen. Noch einmal macht er den Versuch, sich dem Freunde zu nähern. Er beschwört seine Schuldlosigkeit und bittet Amandus, ihm zur Versöhnung die Hand zu reichen. Der aber ergreift eine medizinische Färberfaust, die auf dem Tisch seines Vaters, des Dr. Fenk, liegt, und reicht sie voller Hohn dem ehemaligen Freunde hin. »Der Haß überlief wie ein Schauer das liebreichste Herz, das sich noch in einer menschlichen Brust verblutete – Gustav zerstampfte auf der Erde seine Liebe und seinen Haß und ging verstummt mit erstickten Gefühlen aus dem Hause.« Immer fester aber legt sich um Gustav und Beate das noch unsichtbare Band ihrer Zusammengehörigkeit. Der Eifersuchtsausbruch des Freundes lenkt seine Gedanken immer heftiger auf Beate.
Gustavs Zimmer in dem alten Schloß geht auf den Park hinaus. Er kann durch sein Fenster beobachten, wenn Beate die Parkwege entlanggeht und zurückkommt. Zu stolz und zu verbissen in eine kaum beginnende Liebe, verschmäht er, ihr nachzugehen, aber er sucht wenigstens ihre Lieblingswege auf und freut sich über die Spuren ihrer Füße auf den Gängen oder im Rasen. Daß auch ihre Gedanken um seine Person kreisen, nimmt er um so weniger an, als er glaubt, daß sein dienstliches Auftreten in Maußenbach ihn auch ihr verfeindet habe. Diese Annahme wird noch verstärkt, als ihm über den Dr. Fenk eines Tages das von Beate mitgenommene Porträt zurückgeschickt wird mit einigen kurzen Zeilen von Frau von Röper: man hätte das Bild zunächst für ein in Maußenbach abhanden gekommenes gehalten, später aber
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