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Saemtliche Werke von Jean Paul

Saemtliche Werke von Jean Paul

Titel: Saemtliche Werke von Jean Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Paul
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begleiten. Er geht mit ihr hinauf. Sie will ihm einige Bilder in ihrem Boudoir zeigen. Sie täuscht Verlassenheit und Tiefe des Gefühls vor, und er erliegt ihr, halb im Gedenken an Beate.
    Beate hat inzwischen eine andere Versuchung glücklicher und stärker abgewiesen. Der Fürst ist in ihr Zimmer gedrungen, aber sie hat ihn abzuwehren vermocht. Während ihr Freund in den Armen der Bouse liegt, gibt sie sich der süßen Lektüre seines Briefes hin, den er ihr zugesteckt hat.
    Jean Paul hat inzwischen sein idyllisches Leben im Hause des Schulmeisters Wuz fortgesetzt. Unausgesetzt arbeitet er an dem Roman, den er schreibt und dem er als Zuschauer beiwohnt. Es ist wohl Wirklichkeit, wenn er darstellt, wie ihn die Arbeit an dem Werk aussaugt. Es sind Flaubertsche Verzweiflungsrufe, die er ausstößt. »Wer dankt mir’s, daß ich Szenen aufstelle, die den Prospektmaler beinahe umbringen, und biographische Seiten schreibe, die auf mich nicht viel besser wirken wie vergiftete Briefe? Wer weiß es…, daß ich in diesem biographischen Lustschloß, das mein Mausoleum werden wird, oft Zimmer und Wände übermale, die mir Puls und Athem dergestalt benehmen, daß man mich einmal tot neben meiner Malerei liegen finden wird?« Aber gleich ins Groteske fallend, fährt er fort: »Muß ich nicht, wenn ich in die Schlagweite des Todes gerate, aufspringen, durch die Stube zirkulieren und mitten in den zärtlichsten oder erhabensten Stellen abschnappen und die Stiefel an meinen Beinen wixen, oder Hut und Hosen auskehren, damit es mir nur den Atem nicht versetzt, und doch wieder mich daran machen und so auf eine verdammte Art zwischen Empfindsamkeit und Stiefelwixen wechseln? – Ihr verdammten Kunstrichter allzumal!«
    Aber die Nöte nehmen doch zu. Er fühlt sich krank, und auch dies wird der Wirklichkeit entsprechen, daß eine lähmende Hypochondrie ihn überfällt. Wir wissen bereits, daß ihn Hermann zu seinen Lebzeiten oft aus dieser Niedergeschlagenheit durch irgendeinen drastischen Ratschlag herausreißen mußte. Es ist Fenk, der ja die eine Seite des Hermannschen Wesens verkörpert, welcher ihm klarmacht, daß sein Leiden in erster Reihe in Hypochondrie besteht, und ihm vor allem das viele Kaffeetrinken verbietet. Wie neugeboren macht er sich von neuem an die Arbeit.
    Etwas muß nachgetragen werden, was sich noch vor Gustavs Fall zutrug. Eine überaus merkwürdige Erscheinung ängstigte die Bewohner der Schlösser und der Stadt Scheerau. Man hatte in der verlassenen Kirche in Ruhestatt die Orgel spielen hören und den toten Ottomar im Leichengewand gesehen, wie er die Orgeltasten bewegte. Fenk war der erste, der Aufklärung erhielt, und zwar durch einen Brief Ottomars selbst. »Nie hab’ ich einen Sektor oder Sonntag so traurig angefangen als heute«, schreibt Jean Paul. Er gibt Ottomars Brief wieder, und es ist eines von jenen verzweifelten Schreiben, wie er sie von Hermann öfters erhalten hat. Ottomar ist nur scheintot gewesen und hat sich unter genauen Anweisungen in der Familiengruft beisetzen lassen, da er weiß, daß ihm die Ruhe des Grabes am besten bekommt. Aber es ist doch ein freventliches Spiel mit dem Tode, das er getrieben hat. »Ich bin seitdem lebendig begraben worden«, schreibt er an Fenk. »Ich habe mit dem Tode geredet und er hat mich versichert, es gebe weiter nichts als ihn. – Als ich aus meinem Sarg heraus war, so hat er die ganze Erde dafür hineingelegt und mein bißchen Freude oben darauf… Seitdem stehen vor mir alle Stunden wie leere Gräber hin, die mich oder meine Freunde auffangen!« Er mußte erfahren, daß niemand sich ungestraft auf die Bahre legt. Tiefstes Entsetzen über das irdische Dasein erfüllt ihn. »Wenn ich nun wäre tot geblieben: so wär’ also das, was ich jetzo bin, der Zweck gewesen, weswegen ich für diese lichtervolle Erde und sie für mich gebauet war? . . . und wenn ich mir noch dreißig Jahre weiß mache, daß ich lebe, dann legen sie mich doch wieder hierher – die heutige Nacht kommt wieder – ich bleibe aber in meinem Sarg: und dann?« Eine düstere Totenstimmung hat ihn befallen. Wir sind ihr schon einmal bei Jean Paul begegnet, in jenem kleinen Aufsatz »Meine lebendige Begrabung« aus der»Bairischen Kreuzerkomödie«, in dem er zum erstenmal mit dem Gedanken der Todesspielerei sich beschäftigt. Im »Siebenkäs« sollte dieses Motiv im großen Maßstab dann durchgeführt werden, aber überhaupt stehen Jean Pauls Dichtungen immer irgendwie unter dem

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