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Saemtliche Werke von Jean Paul

Saemtliche Werke von Jean Paul

Titel: Saemtliche Werke von Jean Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Paul
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alles. Der fängt den Rasenden in den Armen auf. »Ein Aufsprung,« schreibt Fenk an Jean Paul, »ein Flug an mich – eine umarmende Zerdrückung – ein Schlag an die Wand – ein Schuß aus ihr. – Er lebt aber noch.«
    Dies ist der Schluß der »Unsichtbaren Loge«.
    Oft, noch kurz vor seinem Tode sogar, versprach Jean Paul, das Werk zu beenden, aber im Ernst hat er wohl nie daran gedacht. Zu viele Motive hatten die drei ersten Bändchen seines ersten Romans aufgerührt, als daß er hoffen konnte, sie sämtlich zu einem befriedigenden Abschluß zu führen. Wahrscheinlich hatte er vor, Ottomar im Kampf um den Thron des Landes, der ihm vielleicht doch irgendwie zustand, untergehen zu lassen. Vielleicht sollte sogar Gustav, der in diesem Fall vielleicht gar nicht der Sohn des Rittmeisters von Falkenberg war, vielleicht vom Genius vertauscht war, den umkämpften Thron besteigen. Dann hätte Gustav noch eine lange innere Entwickelung vor sich gehabt. In diesem Fall konnte auch die zarte Beate nur ein Vorspiel für die eigentliche Erfüllung seines Lebens sein. Offenbar ist Beate dem Tode geweiht, wie später ihr Ebenbild Liane im »Titan«. Dann mußte Gustav noch seiner »Linda« und seiner »Idoine« begegnen. Welche Rolle die »Unsichtbare Loge«, die er ähnlich wie etwa die geheimnisvolle Turmgesellschaft im »Wilhelm Meister« sich dachte, bei diesen Verwickelungen und Auflösungen spielen sollte, darüber war sich vielleicht Jean Paul selbst noch nicht im klaren. In einem Brief an Christian Otto behauptete er, als er mehrere Titel für den Roman zur Wahl stellte, nicht zu wissen, was der dann endgültig gewählte Titel eigentlich solle. Das ist wohl nur eine kleine Schriftstellerkoketterie gewesen, denn eine geheimnisvolle Gesellschaft treibt von Beginn an in dem Roman ihr Wesen. Mehrere Male ist von einer Person mit sechs Fingern an der Hand die Rede. Falkenbergs Diener Robisch, ein verdächtiger Geselle, scheint schon früh der geheimen Gesellschaft auf die Spur gekommen zu sein. Er tritt in den Dienst Röpers und hat bei der Aufdeckung des geheimen Schlupfwinkels seine Hand im Spiele. Auch der verschollene Sohn Falkenbergs und der Frau von Röper bedarf noch der Aufklärung. Es wäre nicht einmal unmöglich, daß es sich bei ihm wie bei Gustav um Söhne des Fürsten handelt. Der Schluß des »Hesperus« zeigt, wie kompliziert Jean Paul einen Roman anlegen konnte und mit welch geringem Grad von Wahrscheinlichkeit hier nur herumgetastet werden kann.
    Mit dem Untertitel benannte Jean Paul sein Werk »Mumien«, und diesen Titel gebraucht er selbst vorzugsweise, wenn er von seinem romantischen Erstling spricht. An die Vergänglichkeit des Daseins sollte erinnert werden. Alle Gestalten stehen hier als Sinnbilder des Todes, und das Schloß Ottomars spiegelt diesen Gedanken am deutlichsten wieder. Aber viele andere Figuren, Beate, Amandus und wer weiß noch wer alles, sind vom Tode gezeichnet. Von dieser Ottomarschen Perspektive aus konnte Jean Paul das ganze Leben in diesem Buch, und vielleicht unter dem Eindruck Hermanns überhaupt, nur als das Durcheinanderspielen künstlich belebter Mumien erscheinen. Der Gedanke der eigenen Vergänglichkeit und Hinfälligkeit spielt mehrfach deutlich hinein.
    Ohne Vorbild, ohne Vergleich trat die »Unsichtbare Loge« in ihre Zeit. Noch nie waren Töne von derartiger Zartheit aus der Harfe eines Lyrikers geströmt, nie wieder seit Klopstocks reifen Oden war eine derartige Gewalt der Sprache erreicht worden. Hier schien aber auch zum erstenmal jene Forderung erfüllt, die einst Jean Paul als junger Student an den großen Führer der Zeit legte: daß nicht Verstand und Einbildungskraft, daß nur das große Herz den großen Mann mache. Hinter dieser unerhörten Prosa stand ein unerhört reiner Mensch. Ein ungeheures Ethos durchpulst den Roman. Diese Fülle der Bilder, diese Tiefblicke in das menschliche Herz, sie waren nicht allein durch sprachliche Kultur und Zucht, sie waren allein dem Herzen erreichbar, das sich liebend alles Lebendigen annahm. Jene seinen Bemerkungen, in denen Goethe einen ganzen Menschen einzufangen vermag, hier kamen sie nicht vereinzelt, hier rauschten sie wie ein Strom dahin und spülten das Verborgenste und Niegesehene an die Oberfläche. Kein Ton ist in der deutschen Dichtung seit Jean Paul erklungen, der sich nicht schon in diesem Roman fände, neben dessen Reichtum sich fast die ganze Literatur des 19. Jahrhunderts wie eine Epigonenangelegenheit

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