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Saemtliche Werke von Jean Paul

Saemtliche Werke von Jean Paul

Titel: Saemtliche Werke von Jean Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Paul
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Tagesbuchs schrieb ich ohne Ihr Wissen ab, aber mit Ihrem nachfolgenden Ja–Nein, obwohl ohne Ihren Auftrag gab ich sie weiter. Ich habe wie vor Gott gehandelt und auch Otto nichts verborgen; und dieser Brief ist meine erste gewißgute Handlung in diesem Jahr.«
    Auch die äußeren Lebensumstände Klothildens sind denen der Freundin nachgebildet. Auch Amöne hatte unter der »väterlichen Härte« zu leiden. Ihr Vater war, wenn auch nicht ohne Witz und Geist, so doch ein unerträglicher Tyrann in seinem Hause, und es bedurfte der ganzen Sanftmut und Seelenstärke Amönens, einer Katastrophe auszuweichen. Wenn auch nur diese wenigen Andeutungen vorhanden sind, können wir doch annehmen, daß der Vater sie für seine Zwecke rücksichtslos ausnutzte und seine Tochter in die schwersten Konflikte hineintrieb. Aber noch ein anderer Hinweis in diesem Briefe lenkt unsere Aufmerksamkeit auf sich: der auf Amönens einstigen Lehrer, Friedrich Wernlein, der zur Zeit, als Jean Pauls und seine Freundschaft begann, bei Herolds Hauslehrer war. Wir entsinnen uns des großen und bedeutenden Briefes an ihn, der die Arbeit an der »Unsichtbaren Loge« einleitete und in dem Jean Paul das Fazit seines bisherigen Lebens zog. Wernlein war der einzige seiner Freunde, der ihm an philosophischer Bildung gleichkam. Mit Wollust stürzte sich der Dichter in den Briefwechsel mit dem jungen Kandidaten, der ihm innerlich fast noch näher als Otto stand und der vielleicht überhaupt der einzige der Höfer Freunde war, mit dem er sich in seinen letzten Zielen verbunden fühlte. (Otto war ihm doch immer mehr ein bloßes Echo der eigenen Worte.) Mannigfache Anschauungen verknüpften die beiden. An Wernlein waren Jean Pauls Ausführungen über die Überschätzung des Studiums der Alten, die hernach in der »Unsichtbaren Loge« ihren Platz fanden, gerichtet worden. In dem Briefwechsel mit Wernlein hatte sich Jean Paul zu seinen philosophischen Überzeugungen durchgerungen. Wernlein wirkte seit Anfang 1791 als Kollaborator am Gymnasium in Neustadt a. d. Aisch, und die plötzliche Entfernung mochte das Bild, das Jean Paul von ihm im Herzen trug, noch verstärken. Jedenfalls war es von jetzt ab einer seiner Lieblingspläne, den Freund hinter den Bergen aufzusuchen, und wohl auch Amöne bangte sich nach dem verständnisvollen Lehrer, der ihr der liebste gewesen und der ihren starken philosophischen Neigungen reichliche Nahrung geboten hatte. Die beiderseitige Zuneigung zu dem Fernen mußte ein neues Band zwischen Jean Paul und Amöne weben. Wenn auch im »Hesperus« der gemeinsame Lehrer Klothildens und Viktors nicht in allem Wernleins Züge trug, so hat doch Wernlein vieles zu seiner Gestalt gegeben: die philosophische, der herrschenden Zeitströmung abgekehrte Einstellung und die gemeinsame Liebe der Liebenden zu ihm. Und wohl mag es ein Lieblingsplan Jean Pauls gewesen sein, mit der Freundin zu Wernlein zu pilgern, um dort Tage in philosophischen Gesprächen hinzubringen, die er über alles liebte und zu denen sich ihm in Hof und der näheren Umgebung keine Gelegenheit bot.
    Aber noch von anderer Seite zog Emanuel oder Dahore Nahrung an sich. Bereits in der »Unsichtbaren Loge« hatte Jean Paul in dem Genius einen idealen Erzieher gestaltet. Der Genius war aus dem Herrnhutismus herausgewachsen, aber er trug doch bereits deutlich Züge, die über den deutschen Pietismus hinaus nach Indien wiesen. So lag es nahe, diese Gestalt ganz in einen indischen Weisen umzuwandeln. Man brauchte damals nicht Welten zu überbrücken wie heute. Vieles im Pietismus neigte dem Indischen sich zu. Wenige Jahre später (1808) begründete bekanntlich Friedrich Schlegel, auch hier wieder einer Anregung Herders folgend, mit seiner Schrift »Über die Sprache und Weisheit der Indier« die deutsche Indienforschung, die in ihrem weiteren Verlauf von so einschneidender Bedeutung für den deutschen Geist werden sollte. Auch Schlegel drang, von der durch Herder inspirierten »Sakuntala«-Übersetzung von Georg Forster angeregt, von der mystischen Erfassung des Protestantismus zu den Indiern vor. Ohne Herder und Schleiermacher wäre dieser Schritt für ihn unmöglich gewesen. Es war nur eine wenn auch höchst geniale und dichterische Vorwegnahme der späteren Entwickelung, wenn Jean Paul seinen dem Herrnhutismus entwachsenden Genius als indischen Weisen auftreten ließ. Inzwischen aber hatte er ja selbst mit einem der bedeutendsten Vertreter des Pietismus, mit Karl Philipp Moritz,

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