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Saemtliche Werke von Jean Paul

Saemtliche Werke von Jean Paul

Titel: Saemtliche Werke von Jean Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Paul
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früheren Tonart, und nur die jungen Engländer, die sich in dem Hause des Pfarrers Eymann einquartiert haben, tragen in ihren Reden diese Tonart fort. Von ihnen wird auch in der Todesnacht Emanuels der Pulverturm in die Luft gesprengt als weithin leuchtendes Fanal der Freiheit.
    Im übrigen macht sich auch in der Schilderung des Flachsenfinger Hofes bemerkbar, daß Jean Paul von Höfen und höfischen Sitten eine genauere Vorstellung erhalten hatte. Wenige Tage, bevor sein erster Roman beendet war, war das Fürstentum Baireuth durch Erbfolge in preußischen Besitz gekommen. Am 8. Februar 1792 fand in Hof die feierliche Huldigung der Beamten vor dem König von Preußen statt. Zum erstenmal konnte Jean Paul bei dieser Gelegenheit einen richtigen König beobachten. Und bald darauf wurde er Zeuge eines zweiten höfischen Vorgangs, den er im »Hesperus« wirklichkeitsgemäß wiedergegeben hat. Die satirische Schilderung von der Übergabe der fürstlichen Braut Agnola in Großkussewitz ist ein getreuer Bericht der Zeremonien, die Anfang Mai 1792 anläßlich der Vermählung der Prinzessin Karoline von Parma mit dem Prinzen Maximilian von Sachsen in Hof, der Grenzstadt zwischen Baireuth und Sachsen, stattfanden. Im »Hesperus« läßt der Dichter seiner Prinzessin sogar ihre südliche Herkunft. Mit der Wollust des Autors stürzt er sich auf diese Begebenheiten als auf Fundgruben seiner Darstellung.
     
    Schon bei der »Unsichtbaren Loge« fiel die ungeheure Verwicklung der verschiedenartigsten Verhältnisse zwischen den einzelnen Personen auf. Sie tritt uns im »Hesperus« noch gesteigert entgegen. Aber sie ist bei Jean Paul nicht Selbstzweck, versinnbildlicht nur die Atmosphäre, die um jeden einzelnen seiner Menschen liegt. Das Durcheinander von Beziehungen verschiedenster Art, in das das Leben die einzelnen Menschen verwirrt, wird durch diese romanhaften Verflechtungen zum Ausdruck gebracht. Das Leben knüpft die Fäden kaum weniger zahlreich und verworren, als es in Jean Pauls Romanen geschieht, wenn auch auf andere Weise. Um aber dieses verschiedenartige Verflochtensein des Lebens darstellen zu können, bedarf es in der Dichtung eines Untergrundes von dunklen Verwachsungen und Verflechtungen. Die Erlebnisformen einer Generation werden bereits in der früheren Generation angesponnen. Beziehungen zwischen den vergangenen oder vergehenden Menschen spiegeln sich im Leben der gegenwärtigen als Schicksal. Nicht immer freilich kommt es im wirklichen Dasein zu Verknüpfungen des Blutes, Kindervertauschungen, Wechselehen. Man kann nur in seltenen Fällen damit rechnen, daß Liebende sich auf einmal als Geschwister erkennen müssen. Aber nur, weil die meisten Gedanken nicht zur Ausführung kommen und die meisten Wünsche keine Erfüllung finden. Wenn nur ein Teil der konventionellen und pekuniären Hemmungen, die sich dem Wollen des Menschen entgegenstemmen, fortfiele, würden in der Tat die Beziehungen zwischen den verschiedensten Menschen genau so vielfach und verwirrend sein wie in den Romanen Jean Pauls. Man kann mit gutem Grund sagen, daß Jean Paul zwar die bestehende Wirklichkeit überbietet, wenn er überhaupt die damals an den Höfen bestehenden Verhältnisse wirklich überbietet, aber kaum über den Bereich der Möglichkeit hinausgeht.
    Im »Hesperus« wird der Ideenkomplex der »Unsichtbaren Loge« noch einmal aufgenommen, aber auf den Umkreis von vornherein beschränkt, der in dem ersten Roman wirklich umschritten war. Der Plan des ersten Romans reichte weiter, wollte in dem Verhältnis zwischen Gustav und Beate nur eine Vorstufe künftiger Entwickelung des Helden sehen. Diesmal sollte in dieser ersten Liebe des Helden sein Schicksal umgriffen werden. Gustav sollte, wenigstens in der endgültigen Fassung, nicht zu der höchsten Aufgabe eines Menschen, zum Herrscherberuf, geführt werden. Deshalb war es nicht nötig, ihn nach Erfüllung seiner ersten romantischen Liebe noch eine zweite, wirklichkeitsnähere erleben zu lassen. In dem einen Liebesschicksal konnte Jean Paul sich diesmal ausschwelgen und deshalb zwischen die Pole der Sehnsucht und Erfüllung eine ganze Welt legen. Er brauchte den Charakter des Helden nicht höher zu treiben, als er von Anfang an war. Viktor ist fertig, wie er zuerst auftritt. Er wird im Verlauf der Handlung vielleicht bereichert aber nicht mehr entwickelt. Er ist in viel höherem Sinne als Gustav das Ebenbild Jean Pauls selber, der auch als kein anderer aus den erotischen Verwicklungen

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