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Saemtliche Werke von Jean Paul

Saemtliche Werke von Jean Paul

Titel: Saemtliche Werke von Jean Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Paul
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Zusammenhänge gehoben. Der Verfasser des »Anton Reiser«, der Freund Goethes, war sein Freund, mehr noch: sein begeisterter Bewunderer geworden. Die bedeutendste aus dem deutschen Pietismus herausgewachsene Erscheinung hatte, wenn auch nur einen Augenblick lang, sein Werk über Goethe gestellt. »Sie sollten den tonigten böotischen Boden kennen, in den mich das Schicksal gepflanzt und gedrückt, die allgemeine Kälte um mich her, gegen alles was den Menschen über den Bürger hebt.« Mit weit offenen Armen wächst er Moritz entgegen. Erschütternd ist das Geständnis: »Wenn Sie mein Land kennten: so könnten Sie verstehen, wie einem Bewohner desselben 2 glühende Blättchen taten!« Jetzt erst wurde er sich des Drückenden und Unwürdigen seiner Lage ganz bewußt, und im Augenblick der Freude mochte er sogar ungerecht gegen seine Freunde und Freundinnen werden und gegen den Naturklang, den ihm sein Land bot, in dem er aufgewachsen war und der das Höchste in ihm entbunden hatte. »Kuhglocken wirkten oft so viel auf mich als Harmonikaglocken; aber es kam nicht von dem, was ich dabei hörte, sondern was ich dabei dachte.« Aber wieviel Tieferes hatten die Kuhglocken der heimatlichen Berge in ihm ausgelöst als die fehlenden Harmonikaglocken der Romantik!
    Moritz wurde mit einem Schlage sein Vertrauter. Auf einer weit höheren Ebene konnte er ihm sich mitteilen als Otto. Er wußte, daß Moritz die Seligkeit schöpferischer Stunden verstand. An ihn und nicht an Christian Otto schickte er unmittelbar nach Fertigstellung die »Sieben letzten Worte«, die den Beschluß des »Wuz« und damit des zweiten Bändchens der »Unsichtbaren Loge« machen sollten. »Ich werde selten eine Stunde haben, wo mein Herz so hoch schlug, wo mir fast alle Sinnen so vergingen wie in der Geburtsstunde jener 7 Worte« Mochte Ottos Urteil in vielem einzelnen noch so treffend sein, jetzt trat es zurück hinter der Seligkeit, von einem Dichter gleich ihm selber verstanden zu werden.
    Erst mit Moritz’ Freundschaft erhielt der Roman für Jean Paul seine befreiende Kraft. Noch voll von der Stimmung der Tage in Lilienbad, frei von drückenden Sorgen gab er sich dem Genuß der so lange ersehnten »Sabbathwochen« hin, wie er sie bald in seinem nächsten Buch schildern sollte. Fast das erste war, daß er eine größere Summe des erhaltenen Geldes auf eine Neuausstattung seines Äußern verwandte, und gewiß hat der in den ärmlichsten Verhältnissen lebende kleine Schulmeister allein in dieser Möglichkeit einen Akt der Befreiung genossen. »Liebe Renata,« schreibt er der nach Baireuth zu ihrer Tante gereisten Freundin, »auch Sie müssen von der Seite des Herzens den alten Flausrock erst aus seinem Buche kennen lernen. Jetzt bei so vielem Golde und Silber wäre der Flausrock ein Narr, wenn er vernünftig bliebe; aber das tu ich schon nicht, sondern ich habe über 40 rth. schon aufgewandt, meinen alten Körper und Adam zu konvertieren und zu verzinnen, wie ich denn nächstens Ihnen in Baireuth mich mit Bänderschuhen und dreieckigem Hut und Gesicht präsentieren will. – Es ist alles mein Ernst und in 14 Tagen erblick ich die Eremitage und die Renata, die vielleicht nicht viel hineinkömmt.«
    Er hielt Wort. Schon am 2. September schreibt er ihr aus Baireuth ein französisches Billett. Am Tage vorher ist er zu Fuß, um 4 Uhr morgens »traurig unter dem Mond« aufbrechend, mit seinem Bruder angelangt. »Froh Abends«, berichtet das Tagebuch, »Lebensläufe geholt.« Wahrscheinlich also hat er noch einmal Hippels »Lebensläufe in aufsteigender Linie«, dieses Urbild des sentimentalen Romans, durchflogen, ehe er sich an sein zweites Werk machte. Der geplante Besuch der Eremitage wird durch ein Gewitter verhindert, aber am nächsten Morgen wandert er, an der Rollwenzlei vorüber, die ihm später so vertraut werden sollte, nach dem fürstlichen Lustschloß mit seinem Zaubergarten, die Stätten aufsuchend, an denen er Teile der »Unsichtbaren Loge« hatte spielen lassen. »Traurigkeit, daß ich schon fort muß… . Vormittag ging mein geliebter Eleve Oerthel in die andere Welt… Die Empfindung unserer Lebensflucht drückt mich nieder.«
    Wieder war einer zu den Schatten hinabgestiegen, der ihm nahegestanden hatte. Eremitage, Renate, die Vergänglichkeit des »Menschensalpeters, der anschießt«, wie er es in den »Sieben letzten Worten« zum »Wuz« ausdrückt – aus alledem wob sich die Stimmung seines ersten Aufenthalts in Baireuth, den er

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