Saemtliche Werke von Jean Paul
Natur als Geist. In einem der Schüler Jean Pauls wird er sein Vorbild haben, vielleicht in dem gerade verstorbenen jungen Oerthel.
Mit einer Idylle fast setzt der Roman ein. Wir befinden uns in St. Lüne, einem Badedorf bei der Residenz Flachsenfingen, und zwar im Hause des Pfarrers Eymann. Dieser Pfarrer mit dem noch zu erklärenden Titel Hofkaplan ist von dem Geschlechte der Freudel, ein »Anti-Wuz«, »auch einer«, dem alles zum Unglück ausschlägt, stets verfolgt von der Tücke des Objekts. So führt er einen hoffnungslosen Kampf gegen die Ratten des Pfarrhauses, denen er mit Trommeln und andern Mitteln beikommen will, ohne etwas anderes als Unheil anzustiften. Seine Frau, die Pfarrerin, ist eine jener mütterlichen Idealgestalten, wie sie Jean Paul immer wieder mit sorgfältiger Liebe umrissen hat. Wir lernen Flamin kennen, den die Pfarrerleute selbst für ihren Sohn halten, und Agathe, ihre Tochter, eine liebende und prächtige Tochter und Schwester. In der Küche wirkt, von niemandem beachtet, Apollonia, die »Küchen-Appel«. In der Wiege schreit Eymanns jüngster Sproß, dessen Tauffest bevorsteht. Zu dieser Taufe wird Viktor, oder auch Horion oder Sebastian genannt, erwartet, der Sohn des mächtigen Lords, der, seit langem mit dem Fürsten Januar befreundet und ihm verwandt, großen Einfluß auf die Geschicke des Fürstentums hat. Lord Horion wird sich mit seinem Sohne bei Eymanns treffen. Der Lord ist vom Star befallen und will sich von Viktor, der sich in England zum geschickten Arzt herangebildet hat, im Pfarrhaus operieren lassen. Die Operation gelingt, der Lord erhält sein Augenlicht wieder.
Dem Pfarrhause gegenüber liegt das Schloß des Oberstkammerherrn Le Baut. Le Baut wohnt dort mit seiner zweiten Frau und einer Tochter aus erster Ehe, Klothilde. Das Fräulein Le Baut und die Pfarrerstochter Agathe sind in herzlicher Freundschaft verbunden. Daß Flamin von unglücklicher Liebe zu Klothilde entbrannt ist, wurde bereits gesagt. Das Landleben hat die Schranken des Standes zwischen den Kindern des Pfarrhauses und Klothilde niedergerissen. Wenn auch Le Baut und seine Gattin nicht auf gleichem Fuß mit dem Pfarrer und seiner Familie verkehren, so dulden sie doch wohlwollend die Freundschaft der Kinder.
In übersichtlicher Klarheit scheint sich die Geschichte vor uns zu entwickeln. Aber schon das zweite Kapitel zeigt, daß wir es mit den verwickeltsten Verhältnissen von der Welt zu tun haben. Zunächst wird Jean Paul selbst in die Handlung eingeführt. Er sitzt auf der Insel St. Johannis in den »ostindischen« Gewässern im Fürstentum Scheerau, wie sie uns aus der »Unsichtbaren Loge« bekannt sind. Durch einen Hund, den Spitzius Hofmann, erhält er von den Ereignissen der Geschichte Kunde. Daher die Bezeichnung der einzelnen Kapitel als »Hundsposttage«, wie überhaupt zuerst der Roman heißen sollte. Die Berichte, aus denen Jean Paul den Roman zusammenstellt, sind mit »Knef« unterzeichnet, woraus wir mühelos auf den humorvollen Dr. Fenk aus der »Unsichtbaren Loge« als Absender schließen können. Durch die Hundspost erfahren wir nun auch einen Teil der Vorgeschichte des »Hesperus«. Danach hat Januar, der Fürst von Flachsenfingen, in Frankreich drei uneheliche Söhne: den Walliser, den Brasilier und den Calabrier, und einen Sohn, den Mosge (Monsieur), der irgendwo auf den sieben Inseln der künstlichen ostindischen Gewässer verborgen sein soll. In England verliebte sich Januar in die schöne Nichte seines Freundes, des Lord Horion. Sie gebar ihm einen fünften Sohn, den sogenannten Infanten. Der Oberstkammerherr, der die Nichte des Lords gleichfalls liebt, heiratet sie und datiert die Heirat um drei Quatember zurück. Offenbar hat sich der Fürst mit Einwilligung des Kammerherrn Le Baut und unter seiner Maske bei der Lady eingeschlichen. Als die Lady von ihrem Oheim, dem Lord, darüber aufgeklärt wird, verläßt sie ihren Gatten und flüchtet nach England. Die Tochter, die sie ihrem Gatten geboren hat, Klothilde, muß sie ihm zurückgeben, aber der »Infant«, ihr Sohn von dem Fürsten her, bleibt bei ihr und wird von ihr erzogen. Der Fürst will, daß auch seine drei andern Söhne dort mit dem Infanten zusammen erzogen werden, aber sie werden geraubt und entführt und schweifen später als »Gelehrte und Semperfreie« in der Welt umher.
Pfarrer Eymann hat als Reiseseelsorger den Fürsten auf seinen verschiedenen Reisen begleitet. In England lernte er als eine Freundin der
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