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Saemtliche Werke von Jean Paul

Saemtliche Werke von Jean Paul

Titel: Saemtliche Werke von Jean Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Paul
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innig an Goethe angeschlossen hatte und den Freunden wie eine Inkarnation jener Goethe-Schillerschen Kunstansichten erschien. Wie es sich auch um das persönliche Vorbild zum Kunstrat Fraischdörfer verhalten mag, in ihm wird jedenfalls die formalästhetische Auffassung von Kunst, wie sie in so entschiedenem Gegensatz zu den Anschauungen des Herder-Jean Paulschen Kreises stand, dargestellt. Die Unterhaltung zwischen dem wandernden Jean Paul und Fraischdörfer bringt nun die große Auseinandersetzung mit der wirklichkeitsfeindlichen Theorie Goethes und Schillers.
    Der Wanderer stellt sich dem fragenden Kunstrat als »Quintus Fixlein« vor, dessen Biographie Jean Paul gerade geschrieben habe und von der er weiß, daß der Kunstrat sie nächstens in einem gelehrten Journal rezensieren werde. Das Gespräch geht also ganz natürlich auf Jean Pauls Werke über, die dem Kunstrat ein Dorn im Auge sind. In den Äußerungen Fraischdörfers entwickelt Jean Paul dann vor uns jene formalästhetischen Kunstanschauungen. Fraischdörfer ist zum Beispiel über die Häuser von Münchberg erbost. Sie müßten entweder alle auf der Höhe oder alle im Tal stehen. Das organische Ineinanderwachsen von Landschaft und Siedlung liegt ihm vollkommen fern. »Er fragte mich, ob Gebäude etwas anders als architektonische Kunstwerke wären, die mehr zum Beschauen als zum Bewohnen gehörten und in die man nur mißbrauchweise zöge, weil sie gerade wie Flöten und Kanonen hohl gebohrt wären.« »Er zeigte das Lächerliche, sich in einem Kunstwerk einzuquartieren, und sagte, es sei so viel, als wollte man Heems Gefäße zu Käsenäpfen und Federtöpfen verbrauchen, oder den Laokoon zum Baßgeigenfutteral und die medizeische Venus zur Haubenschachtel aushöhlen.« Er gesteht frei, »es mach’ ihm als Artisten kein Mißvergnügen, wenn eine ganze Stadt in Rauch aufginge«. Kurzum, »der formlose Former vor mir achtet am ganzen Universum nichts als daß es ihm sitzen kann – er würde wie Parrhasius und jener Italiener Menschen foltern, um nach den Studien und Vorrissen ihres Schmerzes einen Prometheus und eine Kreuzigung zu malen – der Tod eines Söhnchens ist ihm nicht unerwünscht, weil die Asche des Kleinen in der Rolle einer Elektra einem Polus weiter hilft als drei Komödienproben – das unzählige Landvolk ist doch von einigem Nutzen in ländlichen Geschichten… und der General Orlof hilft den Bataillen und Seemalern mit den nötigen Akademien aus, mit Schlachtfeldern und aufgesprengten Schiffen«.
    Am deutlichsten kennzeichnet sich der Gegensatz an den ganz weimarisch gefaßten Worten Fraischdörfers: »es gäbe weiter keine schöne Form als die griechische, die man durch Verzicht auf die Materie am leichtesten erreiche«. Das ist allerdings ein Satz, wie er dem Briefwechsel Goethes und Schillers direkt entnommen sein könnte. Dieses Ausgehen auf die einfach-schöne Linie, dieses unbarmherzige Unterdrücken der Lebenswirklichkeit zugunsten eines ästhetischen Genießens weniger Menschen, das ist es, was den Dichter wie den Ethiker Jean Paul an den Weimarer Großen am meisten empört. Das volle, reiche Leben mit seinen Qualen und seinen Freuden findet er hier vergewaltigt, Wahrheit und Wirklichkeit unterdrückt um eines seelenlosen Schönheitsideals willen, das einmal unter ganz besonderen Verhältnissen bei einem harmonisch glücklichen Volke Ereignis wurde. Zu diesen Anschauungen muß Jean Paul in einem unüberbrückbaren Gegensatz stehen, denn ihre Konsequenz ist nichts anders als die strikte Ablehnung des Humors im deutschen und englischen Sinne. »Vollends Humor,« sagt Fraischdörfer, »dieser sei ebenso verwerflich als ungenießbar, da er bei keinem Alten eigentlich anzutreffen sei.«
    Der Humor ist aber für Jean Paul gerade das Höchste der Dichtung. In ihm findet er Leben und Wirklichkeit am meisten in ihrer Fülle und ihrem metaphysischen Widerspruch zum Ausdruck gebracht. Humor freilich in einem umfassenderen Sinne, als es der heutige Sprachgebrauch will. Faßte doch Jean Paul auch seine großen Romane noch als Humoristische Dichtung auf, wie er sich selbst zeitlebens in erster Linie als Humoristen bezeichnet wissen wollte. Humor bedeutet für ihn die Quelle alles Dichterischen. Er legt denn auch sofort dem Kunstrat seine Auffassung des Humoristischen dar: »daß die krumme Linie des Humors zwar schwerer zu rektifizieren sei, daß er aber nichts Regelloses und Willkürliches vornehme… daß er mit dem Tragischen die Form und

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