Saemtliche Werke von Jean Paul
sich die feindlichen »Xenien« Goethes mit Jean Pauls »Geschichte meiner Vorrede« wie Klingen in der Luft. Die Geister schieden sich. Jean Paul war ja nicht der einzige, den die kriegerischen Dioskuren angegriffen hatten. Besonders verübelte man ihnen im andern Lager die Bosheit gegen den alten würdigen Gleim. Der »Altvater«, wie er sich selbst gern nannte, war in den »Xenien« mit dem alten Peleus verglichen worden, dem leider die spannende Kraft und die Schnelle mangele, die »einst des Grenadiers herrliche Saiten belebt«. Gleim beklagte sich bei Herders und bezeichnete die »Xenien« als »reißende Wölfe, ärger als die Jakobiner«. »Ja! wohl recht Katz- und Katerbalgerei, solche! . . . wir haben mehr solcher Katzbalgereien durchlebt und wissen, was aus ihnen wird. Menschenfeindschaft, Unmenschlichkeit wird aus ihnen.« Karoline rät, »die verdorrten Gemüter in ihrem Talent übermütig und sich einzig fühlen zu lassen«. Herder bedauert, jemals nach Weimar gekommen zu sein, denn er sei nebenher tiefer von Goethe verwundet worden als durch alles, was in den »Xenien« stehe, und man kann ihm recht geben, wenn wir des Goetheschen Briefes anläßlich seiner Forderungen an den Herzog gedenken. Im Gegensatz zu Goethe wird nun Gleim als Seher Gottes, als Priester der Humanität und der Grazien erhoben. »Nur wer den Geist Christi hat, schreibt so wie er.« Gleim seinerseits erhebt Jean Paul in den Himmel. Vor kurzem erst hat er ja unter dem Pseudonym eines Septimus Fixlein eine erhebliche Geldsumme an Jean Paul nach Hof geschickt, wofür dieser in den Blumenstücken dankt. Durch den »Siebenkäs« wird Gleim in seiner Meinung bestärkt, daß hier »mehr als Shakespeare« sei. Jean Paul wird ihm zum »Gottmenschen«, wächst aus der Ebene der Literatur und Dichtung für ihn empor in jene höheren Bezirke erlösten und erlösenden Menschentums.
Jean Paul selbst schreibt an Oerthel über die Angriffe gegen ihn: »Goethes Charakter ist fürchterlich: das Genie ohne Tugend muß dahin kommen.« Dennoch lehnt er es ab, Goethe zu antworten. »Ich antworte nie einem Menschen, der meinen Charakter nicht antastet; wiewohl G. nur satirisches Kurzgewehr hat und ich Langgewehr.« Man muß ihm recht geben. Neben der Art, wie Jean Paul Gegner durch Satire zu erledigen vermag, ist die Satire Goethes flach und witzlos. Kurze Zeit vorher hat ihn der Kapellmeister Reichardt aufgesucht und einige Tage in Hof mit ihm verbracht. »Von Goethe hat er mir viel Neues, aber lauter Schlimmes erzählt.« »Fürchterlich weh tat es meinem Herzen, daß G. ein so nahes wie das des guten Reichardts durchlöchern konnte.« An die Kalb schreibt er im November: »Schillers Furien-Almanach hat mehr Salz als Farben: alles darin ist klein, ausgenommen das Kleine, die Epigramme. Ich werde nie etwas darüber sagen, so sehr die Mißhandlung eines Reichardt, Hermes etc. einen Bluträcher aufruft; aber der genialische Egoismus, der heftigste unter allen, verdient im allgemeinen ätzende Farben und breite Striche. Doch habe ich gegen Goethe und Schiller ebensoviel Liebe als eigentliches Mitleid mit ihren eingeäscherten Herzen.«
Der Bruch zwischen Goethe und Reichardt war bekanntlich dem mit Herder kurz vorausgegangen. Es war die verschiedene Stellung zur französischen Revolution, die die bisher innig befreundeten Männer auseinanderbrachte. Ein Sohn Reichardts hatte bekanntlich in Paris Dienste bei der Revolutionsarmee genommen, um bald darauf zu fallen.
Reichardt, der durch seine genialen Vertonungen Goethescher Lieder neben Zelter am meisten dazu beigetragen hat, daß Goethe als Liederdichter eine Stelle im Herzen des deutschen Volkes errang, hatte sich nach seinem Abschied als Königlicher Kapellmeister in Berlin auf dem Giebichenstein bei Halle niedergelassen, wo er mit seinem Familienkreis bald zum Mittelpunkt der jungen romantischen Schule wurde. Nebenbei bekleidete er das Amt eines Salzinspektors, und in dieser Eigenschaft hatte ihn eine Dienstreise nach Hof geführt. In seinem Journal »Deutschland« beschrieb er sein Zusammentreffen mit Jean Paul in fingierten Briefen an seine Frau. Er lernte ihn in einem Konzert im Hofer Rathaus kennen. »So wenig vorteilhaft auch der erste Eindruck war, den mir sein äußeres Wesen und sein, wie es mir im ersten Augenblicke schien, gesucht witziger Ausdruck machte, so ließ ich mich doch nicht abschrecken, sondern bat ihn um die Zusage, mit mir den Abend freundlich zuzubringen. Er willigte gern
Weitere Kostenlose Bücher