Saemtliche Werke von Jean Paul
ich hoffe, sie sollen begreifen,
Wie erst Säulchen von Holz tragen des Daches Gezelt,
Daß an Latten und Pappen, Geschnitz und bunter Vergoldung
Sich des gebildeten Auges feinerer Sinn nur erfreut. –
Siehe, da glaubt’ ich im Bilde so manchen Schwärmer zu schauen,
Der sein luftig Gespinst mit der soliden Natur
Ewigem Teppich vergleicht, den echten reinen Gesunden
Krank nennt, daß ja nur Er heiße, der Kranke, gesund.
Er schickt das Gedicht an Schiller mit den Worten: »Hier ein kleiner Beitrag; ich habe nichts dagegen, wenn Sie ihn brauchen können, daß mein Name darunter stehe. Eigentlich hat eine arrogante Äußerung des Herrn Richter, in einem Briefe an Knebel, mich in diese Disposition gesetzt.« Die Überschrift macht das Ziel des Spottverses deutlich. Für die Eingeweihten konnte, besonders mit Goethes Unterschrift, kein Zweifel darüber herrschen, wer unter dem »Chinesen in Rom« zu verstehen war. Und vielleicht war das Bild nicht einmal so übel, denn wie in einer ihm völlig wesensfremden Welt war Jean Paul in Weimar herumgezogen, seine in entlegener Gegend gewachsenen Maßstäbe an das deutsche Kulturzentrum herantragend. Noch deutlicher wurde Goethe in einigen Xenien, die er dem »Chinesen« unmittelbar folgen ließ. In dieser Xenienreihe beschäftigt er sich zunächst mit dem Breslauer Gymnasialdirektor Manso, den er als Nachfolger Wielands dessen caput mortuum nennt. Drei Xenien aus dieser Reihe sind es, die in unsern Zusammenhang gehören:
Prosaische Reimer.
Wieland, wie reich ist dein Geist! Das kann man nun erst empfinden,
Sieht man, wie fad und wie leer dein caput mortuum ist.
Jean Paul Richter.
Hieltest du deinen Reichtum nur halb so zu Rate, wie jener
Seine Armut, du wärst unsrer Bewunderung wert.
An seinen Lobredner.
Meinst du, er werde größer, wenn du die Schultern ihm leihest?
Er bleibt klein wie zuvor, du hast den Höcker davon.
Schiller antwortete umgehend: »Der Chinese soll warm in die Druckerei kommen; das ist die wahre Abfertigung für dieses Volk.« Man sieht den selbstherrlichen Hochmut, der aus diesen Worten herausklingt. Auch in Goethes Xenien war wieder der Gegensatz zwischen Goethe und Jean Paul, wenn auch nicht in der Tiefe erfaßt, so doch angedeutet. Die leere Dürftigkeit eines bloßen Nachahmers war Goethe immerhin noch respektabler als die quellende Überfülle Jean Pauls. Es war die immer beibehaltene Einstellung der Dioskuren zu den andern Größen der Zeit, die sie unbedenklich abzufertigen bemüht waren oder mit dem ersten Besten zusammenwarfen. Im nächsten Jahr schreibt Schiller an Goethe: »Ich möchte wissen, ob diese Schmidt, diese Richters, diese Hölderlins absolut und unter allen Umständen so subjektivisch, so überspannt, so einseitig geblieben wären, ob es an etwas Primitivem liegt, oder ob nur der Mangel einer ästhetischen Nahrung und Einwirkung von außen und die Opposition der empirischen Welt, in der sie leben, gegen ihren idealischen Hang diese unglückliche Wirkung hervorgebracht hat.« Dieser Art waren die gehässigen Urteile, die die zünftigen Literaturgeschichtler über hundert Jahre lang immer wieder von Goethe und Schiller abgeschrieben haben, den deutschen Geist um seine tiefsten und eigentlichen Erlebnisse betrügend.
Mit den Weimarer Tagen hatte sich die große Welt für Jean Paul eröffnet. Von überall strömten ihm jetzt Beziehungen und Kundgebungen zu, zumal von den Menschen, die sich von Goethe und Schiller zurückgestoßen fühlten. Ein Brief Schlichtegrolls, des Herausgebers des bekannten Nekrologs, brachte dem Dichter des »Hesperus«, wie er schreibt, »zu den Vorfrühlingstagen die Schmetterlinge und Blumen mit«. Ende 1797 bat Schlichtegroll ihn gar zum Gevatter. Der Lyriker Kosegarten schrieb gleichfalls einen überschwenglichen Brief an Jean Paul, teilte ihm mit, daß er vor einiger Zeit eine Jean Paul preisende Elegie an Schiller für dessen Almanach gesandt, sie aber zurückerhalten hätte, obwohl Schiller von ihm weit schwächere Stücke unbedenklich angenommen. »Nicht dem Werte des Gesangs sondern des Gegenstandes mußt er die Stelle Ihrer andern Gedichte versagen«, antwortete Jean Paul. Einsiedel schickt Dramen und bittet um Beurteilung. Unter den Verehrerinnen seines Genius fehlen nicht Sophie von Laroche und Lavater. Eine Prinzessin Hohenlohe will ihm durch Vermittelung des alten Freundes Spangenberg die Erziehung ihrer Kinder anvertrauen.
Mit doppelter Liebe hängen sich die alten
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