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Saemtliche Werke von Jean Paul

Saemtliche Werke von Jean Paul

Titel: Saemtliche Werke von Jean Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Paul
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Herznerven an«. Oder das seltsam feierliche Haus am Frauenplan steht vor uns: »mit solchen Treppen, ein Pantheon voller Bilder und Statüen, eine Kühle der Angst presset die Brust«. Die formale Kunstbildung, die sich durch die Berührung mit der Wirklichkeit nur beschmutzt fühlen kann, – das war der Punkt, wo Jean Pauls Widerspruch einhakte. Wie ein Alpdruck lastete diese Auffassung auf ihm. Von ihrem Eindruck mußte er sich zuerst befreien, und er tat es durch die Berührung mit der ihm vertrauten Welt.
    In der Geschichte meiner Vorrede zur zweiten Auflage des ›Quintus Fixlein‹ bog er noch einmal in den Kreis ein, der ihn bis zur Weimarer Reise liebevoll umfangen hatte. Wie hatte er im »Siebenkäs« die ihm von Kindesbeinen an vertraute Landschaft mit Abschiedsschwelgereien durchsetzt! Der Weg von Hof nach Baireuth, auf dem ihm nun allmählich durch seine Pilgerfahrten von dem rauhen Gebirge nach der Baireuther Ebene jeder Baum und jedes Haus lieb geworden war, schloß für ihn Schicksal ein. Noch einmal glaubte er diesen Weg im Werke gehen zu müssen. Auf diesem Wege von dem steinigen, »grauhaarigen« Hof nach dem befreienden Baireuth, von wo die weite Welt sich ihm geöffnet hatte, läßt er die Entscheidung fallen. Hier muß zwischen sinnbildlichen Gestalten, sinnbildlich für sein bisheriges Schaffen und für das Neue, das ihm begegnet ist, die große Auseinandersetzung stattfinden. Schon einige Male hatte er in entscheidenden Wendungen auf einen solchen Weg als einen symbolischen Schauplatz den Tumult des Innern verlegt. Während der Vorrede zur »Unsichtbaren Loge« läßt er sich auf den Fichtelberg, den beherrschenden Gipfel der heimischen Landschaft, emportragen. In der Vorrede zu den »Biographischen Belustigungen« deutet er den Weg aus dem gebirgigen Winter in den Baireuther Frühling an. Inzwischen war ihm die Landschaft noch inniger ans Herz gewachsen als Schauplatz der Leiden seines Armenadvokaten. Hier waren die Freunde vor ihrer endgültigen Trennung den letzten gemeinsamen Weg gegangen. Auf der Höhe von Bindloch hatten sie den ewigen, durch immer neue Umarmungen hinausgezögerten, quälenden Abschied voneinander genommen. Auf diesem Weg läßt Jean Paul nun die Geschichte seiner Vorrede spielen.
    Mit allen seinen Stationen ersteht er für uns. Mit dem Dichter wandern wir durch Münchberg, das malerisch mit seinen Häusern aus dem Tal die Hügel hinanklettert. Durch das anmutige Gefrees, durch Bindloch, wo die Straße in jähem Fall zu Tal schießt. An dieser für Fuhrwerke gefährlichen Stelle erinnert eine rohe Skulptur in ländlichem Stil an die Braut, die von dem durchgehenden Wagen zu Tode gerädert wurde, als sie gerade in die Arme ihres Bräutigams fuhr. Wir sinken mit dem Wandernden »in das grünende Tempe von Berneck hinein«. Der Weg mit allen seinen Ortschaften, dem Auf und Nieder seines Ganges, begleitet uns, während der Dichter die Vorrede zu schreiben vorgibt.
    Am frühen Morgen ist er von Hof aufgebrochen. Unter dem Schlagbaum sieht er von hinten eine davonfahrende Schöne und eilt ihr nach, um sie auf der nächsten Station womöglich einzuholen und ihr ins Gesicht zu sehen. Da der Wald sie seinem Anblick entzieht, nimmt er die Schreibtafel zur Hand und beginnt mit der Vorrede, die den blumenreichen und selbstherrlichen Stil zeitgemäßer Vorreden leicht travestiert. »Allein jetzt ging hinter mir die Sonne auf… Als mich die Straße immer höher über die Täler hob, wurd’ ich zweifelhaft, wem ich treu bleiben sollte – ob der erhabenen Allee und Kolonnade von Bergen, die ich linker Hand, oder dem magischen vis-à-vis mit dem gebildeten Kopfe, das ich geradeaus vor mir hatte.« An Vorreden ist jedenfalls vorderhand nicht zu denken. An dem Rabenhügel von Münchberg geht es vorbei. Wieder wird ein Stück der Vorrede versucht, aber von den Hügeln steigt der Kunstrat Fraischdörfer aus Haarhaar, der unter dem Galgen botanisiert hat, und redet ihn an. Damit ist die Arbeit an der Vorrede für längere Zeit unterbrochen. Die Figur Fraischdörfers ist, wie bereits erwähnt, eine Vorwegnahme aus dem »Titan«. Es ist jener Kunstrat, der dort »sein Gesicht, wie die Draperie der Alten, in einfache edle große Falten geworfen« hat. Also eine Personifikation der uns bekannten Goethe-Schillerschen Kunstanschauung, wie sie Herder und Jean Paul notwendig erscheinen mußte. Vielleicht ist bei dieser Gestalt im einzelnen sogar an August Wilhelm Schlegel gedacht, der sich damals

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