Saemtliche Werke von Jean Paul
diesen Partien mag Jean Paul sich aus den Wirrungen mit Emilie herausgekämpft haben, denn eine bürgerliche Vollehe stand als leuchtendes Lebensziel ihm ständig vor Augen. Wie auf seiner Reise nach Weimar läßt er sich durch einen Boten sein Gepäck nachtragen. Wie dort soll der Bote sich selbst beköstigen, wird aber von seinem Mietherrn immer wieder freigehalten. Wie in Jena weigern sich auch auf dieser Reise die Gastwirte, dem unscheinbaren Fußgänger gute Zimmer zu geben. Der Bote, der »Hornrichter Stuß«, hat die Erlaubnis erhalten, noch andere Aufträge nach Nürnberg zu übernehmen. Ein Refugié, Graf Baraillon, schickt durch ihn seiner verarmten Tochter, die sich in Nürnberg kümmerlich vom Westensticken nährt, ein Paket mit. In der Eile werden die Pässe verwechselt, Jean Paul schreitet als Graf Baraillon in Nürnberg ein, was ihn, wie er fürchtet, in Verwickelungen mit dem Nürnberger Magistrat bringt. Aber er wird nicht durch den Gerichtsboten einer hohen Obrigkeit vorgeführt, sondern seine Freunde haben sich nur einen Scherz mit ihm gemacht. Der Vertreter der Obrigkeit ist niemand anders als der Schulrat Stiefel, und als zweiter Jean Paul tritt der Armenadvokat selbst herein. In einer Laube des Harsdörfferschen Parks findet er sogar Hermine, die mit Natalie nach Nürnberg gekommen ist. Die schönste Versöhnung der Ehegatten wird gefeiert. In liebendem Verein des Paares klingt das Buch aus.
Diese Einkleidung, die er den »Teufelspapieren« gab, war durchaus neu. Im übrigen wurde der satirische Grundcharakter des Buches beibehalten. Die Objekte der Satire hatten sich zum Teil stark verändert. Auch hier wird noch gegen die Zustände im damaligen Deutschland polemisiert. Es finden sich die Scharen der Bettler wieder und die Übergriffe der kleinen Duodezdespoten. Auch der langweilige Gerichtsgang des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation wird zum Gegenstand des Spottes. Aber das Hauptziel ist jetzt doch die wirklichkeitsfeindliche Ästhetenrichtung der Weimarer Dioskuren und die Kantische Schule. Zum erstenmal nicht nur, sondern als erstem Denker überhaupt geht ihm der Zusammenhang Kants mit der französischen Revolution auf. Die Vernachlässigung des Ding an sich in der Kantischen Erkenntniskritik und die Vergewaltigung der Wirklichkeit durch die Pariser Schreckensmänner, die Zerlegung der menschlichen Funktionen bei Kant in isolierte Kategorien und das Zerreißen der kulturellen Zusammenhänge gibt sich ihm als der nur andere Ausdruck der gleichen Einstellung. Was in der »Geschichte meiner Vorrede« nur angedeutet wurde, ist hier im einzelnen ausgeführt. Die Satiren sind zum Teil den »Teufelspapieren« entnommen, aber sie haben jetzt ein anderes Ziel bekommen. Überall sind sie in die jetzige Welt Jean Pauls eingespannt. So wird Habermann, dessen große »Tour um die Welt« hier in neuem Gewande auftritt, mit Leibgeber zu einer Person verschmolzen. Hier werden also Brücken von den »Teufelspapieren« bis zum »Titan« gespannt.
Wagenseils »Chronik von Nürnberg« hat offenbar den Dichter bei der neuen Einkleidung der Satiren beeinflußt. Aus der Berührung der jungen Romantiker Tieck und Wackenroder mit dem alten Nürnberg nahm bekanntlich die romantische Schule ihren Ausgang. Auch Jean Paul steht diesem alten Stadtwesen nicht verständnislos gegenüber, aber ihm gibt das alte Nürnberg doch in erster Linie Stoff zur Satire. Er zieht ein ungemein geistloses Meistersingerlied heran, um in die Worte auszubrechen: »Wo ist hier Schwulst oder nordischer Bilderschwall? Wo spricht hier der Dichter selber? Mit reiner Griechheit und mit völliger besonnener Herrschaft über sein Feuer stellet er bloß das Objektive dar.« Es ist die bekannte Art seiner Polemik gegen Goethe und Schiller. Zugleich wird hier ein Unterschied der geistigen Richtungen deutlich. Die junge Romantik, die sich liebevoll in das deutsche Mittelalter versenkte, wollte aus der Gegenwart in eine herrlich erscheinende Vergangenheit hineinflüchten, aus der sie die unserer Zeit entschwundenen organischen Bindungen wieder heraufbeschwören zu können meinte. Jean Paul aber drängt aus den ständischen Bindungen des Mittelalters, das ja noch in seiner Heimat durchaus fühlbar und vorhanden war, hinaus zu neuen Zeitzielen. Er ist zu ungebrochen, um sich romantisch am Quell der Vergangenheit zu berauschen. Auch hier wie überall erstrebt er Leben und Wirklichkeit, nicht magischen Traum. Wo die alten Denkmäler deutscher
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