Saemtliche Werke von Jean Paul
Karoline Schlegel zusammen. Karoline teilte ihren Eindruck schleunigst dem Gatten mit, und es ist der Nachhall dieses Zusammentreffens, wenn Friedrich Schlegel bald darauf an Schleiermacher schreibt: »Friedrich Richter ist ein vollendeter Narr und hat gesagt, der ›Meister‹ sei gegen die Regeln des Romans. Auf die Anfrage, ob es denn eine Theorie desselben gebe und wo man sie habhaft werden möchte, antwortete die Bestie: ›Ich kenne eine, denn ich habe eine geschrieben.‹« Karoline hat wohl das Gespräch mit Jean Paul nur unvollkommen wiedergegeben. Jean Pauls Gedanken bewegten sich seit langem um die Niederschrift einer solchen Theorie des Romans, die er dann einige Jahre später in seiner »Vorschule der Ästhetik« wirklich geben sollte. Damals kann er kaum behauptet haben, ein solches Buch bereits geschrieben zu haben. Aber, wie schon die Briefe an Otto zeigen, befand er sich mit den Brüdern Schlegel damals in offener Gegnerschaft. Galt es doch allgemein als sicher, daß er in seinem Kunstrat Fraischdörfer niemand andern als August Wilhelm Schlegel habe darstellen wollen. Eine Auffassung, deren Richtigkeit Jean Paul übrigens persönlich bei jeder Gelegenheit bestritt.
Der Zufall wollte es, daß fast zur gleichen Zeit der junge Referendar Ernst Theodor Wilhelm Hoffmann in Dresden weilte. Auch auf ihn machten die Schätze der dortigen Galerie vorübergehenden Eindruck, den er, genau wie Jean Paul, durch die ihm näherliegende christlich-romantische Welt bald überwand.
Drei schöne Tage verlebte Jean Paul in Königsbrück bei der ihm bereits aus Leipzig bekannten Gräfin Münster. Vorübergehend verliebte er sich in die »ungemein schöne« Frau von Ledebur. Mit Emilie und den beiden genannten Damen besuchte er von hier aus das »himmlische« Seifersdorfer Tal, das ihn an die Landschaft seiner Romane erinnerte und ihm fast den einzig bleibenden Eindruck auf dieser Reise machte.
In Leipzig fand er seinen Bruder Samuel nicht mehr vor. Derselbe hatte das gesamte Bargeld Jean Pauls in Höhe von hundert Talern an sich genommen und war entflohen. Diesen Schlag überwand der getäuschte Bruder nur schwer, aber er brachte ihn doch wieder mehr zu sich selber und ließ ihn von den Zerstreuungen des Lebens mehr in sich zurückziehen. Die angenehmen Bilder der Dresdener Reise traten langsam vor seine Seele. Wieder genoß er in behaglicher Ruhe einige »Sabbathwochen«, wie sie ihm seit der Vollendung des »Hesperus« nicht mehr zuteil geworden waren. Er saß in dem »parat gehaltenen« Stübchen Emiliens in Gohlis vor seinem Arbeitstisch und flog von dort »wie ein halbfreier Vogel aus in die Gärten und Milchinseln… und behielt einen sanften Herbstsonnenschein mit ruhigen Wünschen ohne Wolken in seiner Seele«. Zum erstenmal gelangen ihm in dieser Zeit größere Partien aus dem »Titan«, und schon nahm er sich vor, zur Ostermesse 1799 mit mehreren Bändchen des so lange dem Publikum versprochenen Romans zu erscheinen. Aber Leipzig war ihm doch zu unlieb geworden, als daß er es länger in dieser Stadt ausgehalten hätte. Schon Mitte Juli brach er zu einer neuen Reise auf.
Zunächst besuchte er den früheren Kapellmeister Friedrich Reichardt in seinem prachtvollen Landhaus auf dem Giebichenstein. Man sollte annehmen, daß sich Jean Paul gerade bei Reichardts besonders wohl fühlen mußte. Reichardts Haus wurde einige Jahre später nicht zum wenigsten durch seine schönen Frauen zum Mittelpunkt des romantischen Kreises. Schleiermacher, Steffens, die Brüder v. Raumer gingen hier aus und ein. Tieck selbst, als Schwager Reichardts, verbrachte oft Wochen und Monate in dem gastlichen Hause, das zu der naheliegenden Universität Halle die regsten Beziehungen unterhielt. Jean Paul aber gestand, daß ihn nur wenig mit Reichardt verknüpfe, daß sie wie »Weltpole« einander entfernt wären. Auch den Modedichter und Vielschreiber, den Verfasser unzähliger schlüpfriger Unterhaltungsgeschichten, Lafontaine, besuchte er, und ebenso den prachtvollen Niemeyer, der als Konsistorialrat und Professor der Theologie in Halle lebte und ein Jahr darauf Direktor der Franckeschen Stiftungen wurde.
Von Halle reiste Jean Paul nach Halberstadt zum »Dichtervater« Gleim, der ihm seit Jahren das regste Interesse entgegengebracht hatte. Gleim empfing ihn aufs herzlichste. »Setz ihn dir aus Feuer und Offenheit, Redlichkeit und Mut und preußischem Vaterlandseifer und Sinn für jede erhöhte Regung zusammen, und gib ihm noch zum
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