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Saemtliche Werke von Jean Paul

Saemtliche Werke von Jean Paul

Titel: Saemtliche Werke von Jean Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Paul
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beraten und gedeutet. Kein Wunder, daß sich die junge Frau ihm mit besonderer Liebe erschloß. Außer Oerthels waren es noch zwei Häuser, zu denen der junge Student einst vergeblich den Zugang gesucht hatte und die sich ihm nun mühelos auftaten: das des alten Steuereinnehmers Weiße, der ihm die ersten literarischen Ratschläge bei den »Grönländischen Prozessen« erteilt hatte, und seines einstigen Lehrers, des Philosophen Platner. Von Weißes ehrwürdiger Gestalt war er zunächst begeistert, aber bald fühlte er den Unterschied ihrer Anschauungen. Lieb blieb ihm Weißes schöne Tochter, und auch im Hause Platners, dessen unausstehliche Eitelkeit er bald bemerkte, waren es auf die Dauer die Töchter, die ihn immer wieder dorthin zogen.
    Kotzebue besuchte ihn und lud ihn zum Essen ein. »Wider mein Erwarten ist seine Rede schlaff, geistlos, ohne Umfassen, wie sein Auge; auf der andern Seite scheint er weniger boshaft zu sein, als fürchterlich schwach; das Gewissen findet in seinem Breiherzen keinen massiven Grund, um einzuhaken.« »Es übersteigt meine Federkraft, Dir ein räsonnierendes Verzeichnis meiner übrigen Bekannten zu geben. Eher die feinen, nicht überfüllten, etwas kostbaren und leckerhaften soupées möcht’ ich Dir malen… Es ist seit der Neujahrsmesse, daß ich eine geräucherte Wurst kochen lasse (die nur in der Messe zu haben ist), um Abends, wenn ich einmal zu Hause soupierte, etwas zu haben. Noch liegt von der Wurst das volle Endchen und der Bindfaden auf dem Lager – nun schließe!« Dieses Schreiben stammte vom 21. Februar. Die Wurst hatte also anderthalb Monate überdauert.
    Mit einer neuen Menschenklasse wurde Jean Paul in Leipzig bekannt: dem reichen Kaufmannsstande. Mit Adel und kleinem Bürgertum hatte er Feste gefeiert und gelebt, aber der reiche Handelsstand war ihm bisher fremd geblieben. Es gelang ihm nicht sonderlich, sich in seine Art hineinzufinden. Was ihm noch in den ersten Tagen als Kunstverständnis entgegengetreten war, zeigte sich bald als Achtung vor dem Erfolg und dem Namen, der seinen merkantilen Wert hatte. Die Festessen der großen Buchhändler entbehrten für ihn des menschlich festlichen Grundes und der geistigen Haltung. Das machte sich bald störend bemerkbar und war wohl der eigentliche Grund, der ihn bald wieder das Ränzel schnüren ließ. Menschlich warm konnte der Vorkämpfer des Bürgertums nur bei dem freieren Verkehrston des aufgelockerten Adels oder in seinen kleinbürgerlichen Kreisen werden. Die geistige und menschliche Enge des Handelsstandes schnürte ihn ein, wie ihn der Hofer Geist eingeschnürt hatte. Die lauten Festlichkeiten, die ihm zu Ehren veranstaltet wurden, erschienen ihm bald leer und störend. Das Leipziger Leben blieb ohne Einfluß auf sein Schaffen. Wo er die Typen reicher Kaufleute in seinen Werken brauchte, behielten sie die Prägung der Kommerzienagenten Röper und Neupeter (»Flegeljahre«), wie sie ihm in dem Kammerrat von Oerthel auf Töpen entgegengetreten waren.
    Einer der starken Anziehungspunkte von Leipzig für ihn war Emilie von Berlepsch gewesen, die sich in Leipzig niederzulassen versprochen hatte. In der zweiten Dezemberhälfte kam sie und sorgte dafür, daß Jean Pauls Winter reich an Aufregungen war. Gerade daß ihre Liebe zu ihm frei von Sinnlichkeit sei, hatte Jean Paul an dieser Freundin besonders gerühmt. Er sollte aber bald merken, daß sich die alternde Frau mit mehr als geistigen Armen an ihn klammerte. Schon in Baireuth hatte sie ihm den Vorschlag gemacht, ihre Freundin, ein Fräulein Heidegger aus der Schweiz, zu heiraten und zu dritt einen Haushalt zu bilden. Jetzt kam sie auf diesen unsinnigen Vorschlag zurück und in einer Form, der Jean Paul keinen Zweifel darüber ließ, daß sie es selbst auf ihn abgesehen hatte. Jean Paul setzte ihren Vorschlägen einen »verhärteten peinlichen Widerstand« entgegen. »Sie bekam über meine Erklärungen Blutspeien, Ohnmachten, fürchterliche Zustände; ich erlebte Szenen, die noch keine Feder gemalt.« Mitte Januar arbeitete er an einer Leibgebersatire, als sein »Inneres auseinanderging«. Er eilte zu ihr und versprach, sie zu heiraten. »Sie will tun, was ich will; will mir das Landgut kaufen, wo ich will, am Neckar, am Rhein, in der Schweiz, im Voigtland.« Jean Paul verlebte Tage kühler Resignation. Sie heiraten, bedeutete den Schlußstrich unter seine Jugend, völligen Verzicht auf alles, was er noch selbst zu erleben hoffte, da er es hundertmal

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