Saemtliche Werke von Jean Paul
irgendwo einmal darzutun, daß wir das Maximum in den bildenden und zeichnenden Künsten, das erreichbar ist von Einem Volk und von Wenigen, mit dem Maximum der Dichtkunst vermengen, das die Kenntnisse und die Jahrhunderte erhöhen und erschweren müssen. Eine Apollos Gestalt ist für die Erde vollendet; aber kein Gedicht kann es sein, da unsere mit den Jahrhunderten wachsende Rezeptivität wenigstens an den Stoff höhere Forderungen macht: unsere Augen bleiben für die Statuen, aber unsere Geister wachsen höhern Gedichten entgegen.«
Auch Jean Paul wollte höhern Gedichten entgegenwachsen, als sie ihm noch in Hof werden konnten. Die Anläufe zum »Titan«, die aus den letzten Hofer Monaten stammen, mißglückten, wie er selbst bemerkte. Den Herbst hatte er für den Fortzug aus Hof und aus seiner Jugend festgesetzt. Seine Wahl fiel auf Leipzig. Das » Leipzig vult exspectari! «, das ihm so oft während seiner Studentenzeit in den Ohren geklungen hatte, wollte er noch einmal versuchen. Zudem mußte sein jüngster Bruder eine Universität besuchen, und welche andere konnte er dafür ausfindig machen als die, die ihn selbst so schwer enttäuscht hatte und die er nun noch einmal auf die Probe stellen wollte!
Am 29. Oktober führte ihn der Wagen aus Hof und aus dem Lande seiner Jugend hinaus.
Wanderjahr e
Jean Paul war überzeugt, daß er nie wieder in die Gegend seiner Jugendjahre zurückkehren würde. Er nahm gründlich Abschied und besuchte sogar Frau von Plotho auf Zedtwitz. In Gera blieb er einen Tag. Es war der Erscheinungsort seiner »Teufelspapiere«. Merkwürdigerweise hatte ihm vor kurzem durch Spangenbergs Vermittelung wiederum ein Geraer Verleger den Vorschlag unterbreitet, dieses Buch, dessen erste Auflage längst zu Makulatur verarbeitet war, in zweiter Auflage herauszugeben. Mit dem Buchhändler Heinsius, der diesen kühnen Vorschlag gemacht hatte, besprach Jean Paul den Plan, den er bald in Leipzig in Angriff nehmen wollte.
Nach Leipzig kam er diesmal nicht mehr als unbekannter Student. Seine Erscheinung bildete für die Stadt der Buchhändler eine Sensation. Zunächst stieg er bei Beygang, dem Verleger des »Jubelsenior« ab, bezog aber bald seine Wohnung, die ihm Freund Oerthel, wiederum in der Petersstraße, besorgt hatte. Abends besuchte er eines der berühmten Gewandhauskonzerte. Zum erstenmal in seinem Leben glaubte er Musik zu hören, so überwältigend war der Eindruck. Am nächsten Tag nahm er an einer Opernaufführung teil. Zehn Weimarer Bühnen gäbe er für diese Oper, schrieb er begeistert an Otto.
Schon an dem ersten Abend bekam er einen Begriff davon, was ihn in Leipzig erwartete. »Wie dem Adam die Tiere« wurden ihm »die Leute präsentiert, aber bloß weil ich einen Namen hatte.« »Noch um acht Uhr abends kam zu mir ein Mensch ohne Hut mit struppigem Haar, aphoristischer Stimme und Rede, frei und sonderbar: Thieriot, ein Violinist und Philolog, und schien ein Sonderling, weil er mich für einen hielt. Sein zweites Wort war: er bitte mich, das Logis zu verlassen, weil er mit mir unter einem Dache wohnen und öfter wiederkommen wolle, und fragte, wie ich an einen Ort ziehen könne, der mich nächstens langweilen würde.« Thieriot, der sich ein wenig stürmisch bei seinem Lieblingsdichter einführte, wurde im Laufe der Zeit beherrschter und ein wirklich guter Freund Jean Pauls. Aber er war nur eine der vielen Gestalten, die sich um den berühmten Mann drängten. Im Museum lernte er Schelling kennen, der ihm jedoch ebensowenig gefiel, wie die ganze »verfluchte philosophische Horde«. Leider scheint er sich mit dem jungen Genie, das bald darauf seinen ungeheuren Aufstieg als Philosoph der Romantik begann, nicht genügend eingelassen zu haben. Schellings Bekanntschaft mit den Brüdern Schlegel, die mehr und mehr das rote Tuch für ihn wurden, trug wohl erheblich zu seiner Abneigung bei.
Die ihm am meisten befreundete Familie war naturgemäß zunächst die seines Freundes Oerthel, der in Belgershain ein schönes Landhaus bewohnte. Beiden Ehegatten war er bereits von Hof aus nähergetreten. Oerthel hatte sich Jean Pauls keusche Haltung und seelische Hoheit, wie er sie namentlich im »Hesperus« ausgedrückt fand, so zu eigen gemacht, daß er die bittersten Skrupel empfand, als er eine körperliche Liebe zu seiner damaligen Braut bei sich feststellen mußte. Jean Paul hatte den Freund mit liebendem Zartsinn getröstet und auch in andern diskreten Angelegenheiten des jungen Paares
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