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Saemtliche Werke von Jean Paul

Saemtliche Werke von Jean Paul

Titel: Saemtliche Werke von Jean Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Paul
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wiederum in neuen Szenen an dem Auge des Lesers vorüberzuführen. Artistisch sind die Briefe ungemein reizvoll. Nie hat seine Satire schärfer getroffen, nie ist seine Beobachtung reicher gewesen als hier. Die von Herder empfangene Kampfstellung gegen die Gesellschaft findet vortrefflichen Ausdruck. Daneben aber gibt er auch tiefe psychologische Erkenntnisse über die Frauen, und Beigaben wie die bekannte »Der Unglückliche in der Neujahrsnacht« – übrigens wie die benachbarte Erzählung für Kinder gedacht – erheben sich zu dichterischer Höhe.
    Anziehender ist uns der zweite Teil des Buches: die Konjekturalbiographie. In sieben an Otto gerichteten Briefen erzählt er von seinem Leben, wie er es in stillen Stunden sich ausmalt von dem Augenblick an, da er die Geliebte seiner Seele gefunden, bis zum Tode. In rührenden Zügen malt er ein bescheidenes und doch so reiches Glück, wie er es bereits den Hofer Freundinnen oft vorfabuliert hatte. In dieser Bescheidung auf einen einfachen, schlichten Gang seines Daseins lag zugleich ein Protest gegen das laute Leben, das ihn seit Jahren umfangen hatte. Es war eine durch Willensakt erzwungene Rückkehr zur Idylle, die er hier gab, mit dem ganzen verführerischen Zauber seiner dichterischen Kraft. Er schwelgte im Ausmalen glücklicher Stimmungen und liebegebundener Ehe. Ein kleines Gütchen Mittelspitz sollte ihn und die Seinen aufnehmen. Vielleicht hat er damals selbst an den Ankauf eines solchen Gütchens gedacht, das infolge seiner Einnahmen durchaus im Bereich der Möglichkeit lag.
    Aber es war ein Traum neben dem Leben, den er hier gestaltete. Die Umgebung, die er sich selbst gewählt hatte, sollte ihn noch lange nicht zur Ruhe kommen lassen. Wie sollte er auch in Weimar leben können, ohne in alle Intriguen dieser seltsamen Stadt verwickelt zu werden. Schon die Freundschaft mit Herder mußte ihn in solche verwickeln. Leider fanden sich zu den in Weimar vereinsamten Freunden nur Geister zweiten und niederen Ranges als Bundesgenossen. Der einzige mochte noch Wieland sein, der gleichfalls von dem Feuer der Metakritik ergriffen wurde. Aber Gleim und der alte Weiße waren doch bereits eine bedenkliche Bundesgenossenschaft. Knebel hatte sich mit der Sängerin Luise von Rudorf verheiratet und das aufgeregte Weimar mit dem stilleren Ilmenau vertauscht. Er lavierte vorsichtig zwischen den Parteien, war sowohl Herders wie Goethes vertrauter Freund. Die Kluft zwischen Jean Paul und Goethe vertiefte sich wieder. Bei Frau von Wolzogen stritt er sich bis in die tiefe Nacht mit Schiller herum, ein andermal, bei Charlotte von Kalb, sogar mit Schiller und Goethe gleichzeitig. Weil er »Champagner und einen Vulkan« im Kopfe hatte, war er kühner als je und sagte Goethe unangenehme Dinge, worauf dieser eine Viertelstunde empfindlich den Teller drehte. Später speiste er noch einmal mit Goethe bei Schütz in Weimar. Aber er konnte sich nicht wundern, daß die beiden Heroen »frostig« gegen ihn wurden. Auch seinen Verkehr mit Kotzebue mochten sie ihm übelnehmen. Jean Paul milderte sein Urteil über diesen literarischen Abenteurer in manchen Punkten, empfing mehrfach seinen Besuch und ließ sich sogar dessen Stücke zur Begutachtung geben.
    Seine Berührung mit dem eigentlichen Hof war nur flüchtig. Wenn er bei seinem ersten Aufenthalt den freien Ton in Weimar gelobt hatte, so wurde er jetzt bald eines Besseren belehrt. Bei den Konzerten zum Beispiel hatten bürgerliche Personen nur zur Galerie Zutritt. Man ließ ihm sagen, daß er den Zutritt zum Saale erhalten würde, wenn er einen Degen anlegte. Er aber weigerte sich und nahm an den Konzerten nur von der Galerie aus teil. Ein solches Benehmen war nicht geeignet, ihn dem Herzog selber angenehm zu machen. Der Herzogin wie dem Erbprinzen hatte er sich einmal vorstellen lassen, schrieb jedoch einige Tage später an Otto: »Mit der Herzogin und Ihm bin ich ganz außer Verhältnis.« Nur bei dem Besuch der Königin Luise in Weimar kam er wieder mit der Herzogin in Berührung. Die Lobsprüche der anwesenden Fürstin von Thurn und Taxis und des Prinzen Georg von Mecklenburg veranlaßten die Herzogin, daß sie ihn im Park zurückrufen ließ, »viel zu gnädig« mit ihm sprach und ihn nach dem »Titan« fragte. »Du hast keine Vorstellung,« schrieb er an Otto, »wie hier um ein Eckchen Regenschirm vom Thronhimmel geschoben und gestoßen wird; ich sehe im Regen der Gruppe zu und bleibe Philosoph.« Jean Paul hat sich, wie überhaupt

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