Saemtliche Werke von Jean Paul
niemals, so auch in Weimar nicht um die Hochgestellten bemüht. Bereits im 18. Jahr, schrieb er an Otto, sei er Republikaner gewesen, und noch jetzt finde er einen Mut und eine Denkart gegen die Fürsten in sich, die er eben bei den großen Männern in Weimar nicht so bemerkt. »Überhaupt steige ich ja in die Nester der höheren Stände nur der Weiber wegen hinauf, die da, wie bei den Raubvögeln, größer sind als die Männchen.« Eine wichtige Stelle, die sein Verhalten den hochgestellten Frauen gegenüber von Grund aus erleuchtet.
Im März 1799 brachte er acht Tage, die ihm zu Festtagen wurden, in Gotha zu. Bereits im Sommer des vorigen Jahres hatte er, Schlichtegrolls wegen, Gotha aufsuchen wollen. Diesmal zog ihn der genialische Erbprinz August dorthin. An diesem Hofe öffnete ihm sein Verhältnis zu Goethe die Bahn. Goethe hatte sich mehrfach mißachtend über den Gothaer Hof ausgesprochen, insbesondere über den Erbprinzen. An der herzoglichen Tafel zog denn Jean Paul seinerseits auf Weimar los, wie er schreibt, und fand völlige Billigung seiner Ansichten auch bei dem Herzog Ernst Ludwig. Eine zweite Reise nach Gotha, die ihn auch über Erfurt, Eisenach und auf die Wartburg führte, bereicherte wiederum seinen Bekanntenkreis.
Zum »Titan« floß ihm unaufhörlich Stoff zu und immer deutlicher formte sich ihm die Tendenz des Ganzen. An Friedrich Jacobi, mit dem ihn jetzt ein fortgesetzter Briefwechsel verband und mit dem er sich duzte, schrieb er über den Kardinalroman: »Mein ›Titan‹ ist und wird gegen die allgemeine Zuchtlosigkeit des Säkulums gewaffnet, gegen dieses Umherbilden ohne ein punctum saliens – gegen jede genialische Plethora, d. i. Parzialität – gegen die ästhetische (artistische) und philosophische Trennung des Ichs von der Beschauung, als müsse nicht diese auf jenes wirken, es voraussetzen, nur durch dasselbe gelten und darin früher und später wohnen als in der Abstraktion. Beinahe jede Superfötation und jedes hors d’œuvre der menschlichen Natur soll im »Titan« Spielraum für die eigenen Fehler finden.« Hier ist es ausgedrückt: Weimar mit seiner Superfötation des Gehirnlichen, aber auch Kant mit seiner Trennung des Ichs von der Beschauung sollten im »Titan« gegeißelt werden. Roquairol lebte damals schon in ihm, allen voran aber griff Charlotte von Kalb immer wieder als Titanide in die Handlung seines Innern ein.
Seltsam wie in Jean Pauls Dasein die verschiedenen Welten sich durchdrangen. In seiner behaglich stillen Stube am Markt träumte er von den Seligkeiten einer schlichten bürgerlichen Liebe, und wenige Schritte nur hatte er hinaus zu tun, um mitten im Wirbel der großen Welt zu stehen. Und es zog ihn hinaus in diese große Welt. Noch ehe das Jahr 1799 begann, nahte ihm, nun von seiten der Kalb, die Versuchung, die er in der Berlepsch gerade noch überwunden hatte. Am 28. Dezember 1798 schrieb er an Otto: »Durch meinen bisherigen Nachsommer wehen jetzt die Leidenschaften. Jene Frau – künftig heiße sie die Titanide, weil ich dem Zufall nicht traue – die von Weimar zuerst nach Hof an mich schrieb, die ich dir bei meinem ersten Hiersein als eine Titanide malte, mit der ich, wie du weißt, einmal eine Szene hatte, wo ich (wie in Leipzig) im Pulvermagazin Tabak rauchte, diese ist seit einigen Wochen vom Lande zurück und will mich heiraten und sich scheiden.« Kurz nach einem Souper sagte sie es ihm in unverblümter Klarheit. »Meine moralischen Einwürfe gegen die Scheidung wurden durch die 10jährige Entfernung des Mannes widerlegt, und durch den früheren Vorsatz für Schiller – von den drei Kindern bliebe nur eines, das schönste, klügste Mädgen – alle Güter sind die ihrigen – und als ich auf kameralistische Indemnisation des Mannes und der Kinder (präliminarisch) drang, war alles ihre Meinung.« Er setzte diesen Plänen ein festes Nein entgegen, aber Charlotte drang mit »Größe, Glut und Beredsamkeit« dagegen. »So bestand ich eisern darauf, daß sie keinen Schritt für, wie ich keinen gegen die Sache tun solle. Denn sie glaubt, ihre Schwester und deren Mann, der Präsident, und ihre Verwandten würden alles tun, ach im März wäre alles vorbei, nämlich die Hochzeit.« »Ich habe endlich Festigkeit des Herzens gelernt – ich bin ganz schuldlos – ich sehe die hohe genialische Liebe, die ich dir hier nicht mit diesem schwarzen Wasser malen kann – aber es passet nicht zu meinen Träumen.« Das war das Entscheidende: »Es passet
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