Saemtliche Werke von Jean Paul
enharmonischen, der diatonischen und chromatischen. – Sie können aus meinen Werken nur wenig erraten, wie viel mein Herz und mein innerer Tag den Ihrigen schuldig ist. Und wie mich die jetzige fuga pleni , der transzendente Fohismus, der gern jeden Welten- und Kometenkern in einen Nebel zertreiben will, traurig und beklommen macht: so erhebt mich wieder jedes aufgespürte Gerücht irgend eines Werks, das Sie der Asthenie des Jahrhunderts entgegensetzen.
Jetzt in diesem Wolfsmonat der Literatur, wo eine ästhetische (Schlegelsche) Erhebung über die Erhebung alles Positive unter Termenschnee vergräbt, und wo man an der moralischen Welt wie am Monde nur die vergasete Seite sieht, indes die abgekehrte – nach Kant aber nur beim Monde – Luft und Auen hat, da ist Ihre Dichtkunst und Ihre Philosophie, – gleichsam Circenses et panis , – uns unentbehrlich, nämlich Ihre Fortsetzung derselben.
Da ich jetzt nach Weimar ziehe, so dacht ich oft an den Plan und Wunsch einer Monatsschrift gegen das jetzige philosophische Laternisieren alles (innern) Lebendigen – und zwar müßte diese Anbetung des Göttlichen durch 3 Weisen aus Morgenland geschehen, durch Sie, und Herder, dem ich noch nichts davon gesagt – und – da immer ein Mohr dabei ist – durch mich.
O Verehrtester! schon dieses Schreiben erfrischt mich; wie würde mich Ihr Anblick erquicken, da doch der Traum des Vorbilderns erblasset vor dem Wachen der Gegenwart! –
Verzeihen Sie mir den Ton, der von der Vertraulichkeit meines Herzens mit Ihren Schriften die seinige entlehnt! Ich wollte meinen Aufenthalt in Leipzig, gleichsam wie die Jahrszeit mit einem magischen Nachsommer beschließen. – Vergönnen Sie meinen innigsten Wünschen eine Antwort: so bitt’ ich Sie daher, sie an Herder abgehen zu lassen, weil ich nach Weimar ziehe und wär’ es nur eben dieses allseitigen Geistes wegen, für welchen der Äther das sensorium commune aller Wahrheiten und Wissenschaften ist. –
Wenn je meine Seele am Schlusse eines Briefes die herzlichsten Wünsche für ein fremdes Glück und Leben tat: so ist es an diesem!«
Leider wurde aus der von Jean Paul geplanten Zeitschrift nichts. Jacobi lehnte seine Mitarbeit ab, und so blieb die von Hamann, Herder, ihm und Jean Paul vertretene Richtung ohne ein eigenes Organ, das wenigstens der breiteren Öffentlichkeit das Bestehen einer gemeinsamen Front angezeigt hätte. Herder trug noch einige Zeit den Gedanken einer solchen Zeitschrift, die »Aurora« genannt werden sollte, weiter, zeigte sie sogar als künftig erscheinend an, aber schließlich wurde der ganze Gedanke leider fallen gelassen.
Ende Oktober fuhr Jean Paul »wieder in einen neuen Weltteil hinein«, wie er an Oerthel schrieb.
Auf dem Markte, beim Sattlermeister Kühnholdt hatte Jean Paul seine Wohnung bezogen. Im gleichen Hause wohnte, wie schon Goethe angedeutet, die Sängerin Maticzek. »Sie ist eine reine geradbrechte Person von Philine, und ohne Schönheit. Indes ist’s für mich eine Gymnastik des Witzes. Sie lacht und singt mehr als sie spricht, und mit Recht. Sie erzählte mir, daß sie Goethen gefragt, wie sie mich zu empfangen habe und sie wolle mir trillernd entgegentanzen. ›Kind, mach’s wie bei mir und sei natürlich‹, sagt er.«
In seiner Klause aber fühlte er sich auch auf die Dauer äußerst wohl. »Mein größtes Labsal außer Herder hier ist meine Hausfrau. Nie war ich so Stuben-glücklich. Ich will nur etwas von unserm Verhältnis anführen: ein an sich geräumiger Nachttopf wollte doch nicht zulangen, wenn ich gerade schrieb, weil er und das Tintenfaß wie natürlich in umgekehrtem Verhältnis voll und leer werden. Die Frau sah, daß ich oft die Treppe in der Kälte hinab mußte. Sie brachte mir also einen ganz neuen Bowlenmäßigen getragen, bei dem ich 8 Seiten schreiben kann.«
Über allerhand Herzenserlebnisse hatte er dem Freunde nach Hof wieder zu berichten. Weißes Tochter, mit der ihn die Fama bereits verlobt hatte, war er entgangen. »Für Dorothea ward ich kein Hermann. – Eine andere, heißere Verwickelung, die immer sinnlicher wurde, löste sich gerade durch den Abschied, ohne es zu sehr geworden zu sein.« Aber Weimar sollte ihm in dieser Beziehung keine Ruhe geben. »Der Teufel zieht mir die verdammtesten Wolfsgruben über den Lebensweg – besonders dadurch, daß entweder nur die andere Person liebt oder ich.«
Nach den verschiedensten Richtungen hin fühlte Jean Paul sich gezogen. Im Hinblick auf den
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