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Saemtliche Werke von Jean Paul

Saemtliche Werke von Jean Paul

Titel: Saemtliche Werke von Jean Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Paul
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Brief, den er mit Albanos Handschrift an Linda schreibt, kann durch die zynische Offenheit entsetzen, mit der er die Wahrheit fast ganz deutlich ausdrückt, so daß Linda ihn beinahe verstehen muß. Was er auch sagt und was er auch tut, immer wirbelt er Stimmungen und seelische Reflexe hoch, die sich in buntem Spiel jagen. Ja, er kann die Wahrheit über sich selber in schneidender Schärfe ausdrücken, um in der Pose des Zynikers zu brillieren. Bis zur äußersten Grenze fast verführerischen Glanzes hat Jean Paul diesen Charakter herangetrieben. Fast nähert er sich dem Idealbild eines dämonisch Schaffenden. Fast hat er die Wirkung Werthers, der die Jünglinge in den Tod nachzieht. Und manchmal ist er wirklich die Gestalt gewordene Tragödie des schaffenden Künstlers mit ihrem notwendigen Drang zur Selbstbespiegelung und Selbstzersetzung, zur Auflösung jeder Empfindung in ihre Elemente, zum Durchkosten aller Gegensätze des Lebens.
    Mit der Vollständigkeit einer Kategorientafel fast werden die »Einkräftigen« vor uns aufgereiht. Man sieht, wie lange Jean Paul den Plan des »Titan« mit sich herumgetragen hatte. Bis in die erste Zeit seines Schaffens strecken sie ihre Wurzeln. Wie viele dieser Gestalten gehen auf den Jugendfreund Hermann zurück! Selbst Roquairol kann auf Hermann zurückgeführt werden. Im Ottomar der »Unsichtbaren Loge« tauchte zuerst jenes dämonische Rasen gegen die Grenzen der menschlichen Natur auf. Roquairol ist ein gesteigerter Ottomar, dessen Rasen in sich selbst zurückschlägt, wie ja auch Ottomar schon mit dem Tode zu spielen liebte. Auf Hermann geht aber auch jene Reihe von Gestalten zurück, die mit dem Dr. Fenk in der »Unsichtbaren Loge« anhebt und sich zum Leibgeber des »Siebenkäs« erweitert. Die Höhepunkte des Leibgeberschicksals hatte Jean Paul mit Bedacht für den »Titan« aufgehoben. Hier erst sollte sich diese Gestalt in ganzer Breite entfalten. Schon bei der Besprechung des »Luftschiffers Gianozzo« hatten wir darauf hingewiesen, daß auch Gianozzo ursprünglich nur eine neue Verwandlung Leibgebers sein sollte. Als Jean Paul diese Gestalt dann zu einer besonderen Arbeit herauslöste, führte er Leibgeber unter dem Namen Graul dort ein. In wie vielen Gestalten und Verwandlungen sich Leibgeber aber auch zeigen mag, er ist von Beginn an unverkennbar derselbe. Schon »Habermanns große Tour um die Welt« zeigt seine Züge. Seither lebt er mit seinem Bullenbeißer Saufinder in einer ganzen Reihe Jean Paulscher Werke. Im »Titan« tritt er als Bibliothekar Schoppe auf und wird erst am Schluß des Buches von dem hinzukommenden Armenadvokat Siebenkäs identifiziert. Aber alle Leser des »Siebenkäs« müssen ihn von Anfang an erkennen.
    Eigentlich ist Schoppe ein Fremdkörper im Roman, und wirklich tritt er in ganz ausgedehnten Partien fast gar nicht hervor. Er ist Humorist und widerstrebt seinem Wesen nach dem hohen Stil des »Titan«. Deshalb nimmt er mit seinen Grotesken den meisten Raum im Anfang ein, der noch am ehesten idyllisch-humoristischen Charakter trägt. Und mit seinem erschütternden Ende im Schluß des Buches. Schon im »Siebenkäs« hatte Leibgeber seine eigene, von dem Freunde abweichende Weltanschauung. Er war Atheist und leugnete die Unsterblichkeit. Inzwischen hatte sich Jean Paul mit Fichtes Philosophie auseinandergesetzt, und nichts lag näher, als diese schroffe, die Welt vergewaltigende Philosophie mit Leibgeber in Verbindung zu bringen. Die » Clavis Fichtiana « legte er ihm in den Mund, und im Roman selbst läßt er ihn als Fichteaner auftreten. Es war das größte Kompliment, das Jean Paul seinem Gegner Fichte machen konnte, und zeigt, wie er selbst mehr und mehr von dem eigenwilligen gigantischen Charakter dieser Philosophie ergriffen wurde.
    Der Fichteanismus ist der innere Angelpunkt Schoppes. Sein unbedingtes Freiheitsbedürfnis hängt aufs engste mit Fichtes Ichphilosophie zusammen. Und auch der Humor dieses von jeder Bindung mit der Welt selbstherrlich losgelösten Menschen ist nur die Frucht des unbedingten In-sich-selber-Ruhens. Von aller Eitelkeit ist er nicht nur frei, sondern in einem Grade frei, daß die Möglichkeit eines solchen Grades selbst in Staunen setzt. Auch Schoppe läßt sich von seinem Innern zu den letzten Grenzen hinreißen (hierin ein Gegenstück zu Roquairol). Es gibt keine noch so bizarre Situation, der er auswiche. Auch er ist Zyniker, aber im veredelten Sinne des Diogenes. Und die Hauptsache: er braucht keine

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