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Saemtliche Werke von Jean Paul

Saemtliche Werke von Jean Paul

Titel: Saemtliche Werke von Jean Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Paul
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bestimmt sie frühzeitigem Verfall, sie will auch von Anbeginn an ihrer Freundin Karoline nachsterben, die ihr in die Ewigkeit vorangegangen ist. Jean Paul war in Leipzig mit Novalis zusammengewesen und hatte mehrmals die Familie Hardenberg in Weißenfels besucht. Novalis war am 25. März 1801 gestorben. Sein Tod kann kaum noch Lianes Gestalt beeinflußt haben, aber fast gleichzeitig mit seinem Todesentschluß legte Jean Paul Lianens Tod für den »Titan« fest. Ursprünglich sollte sie am Leben bleiben und Albano, nach dessen Umweg über Linda, gewinnen. Mit magischer Gleichzeitigkeit vollzog sich bei Novalis und bei Lianens Gestalt die Wendung zum Tode.
    Alle diese Gestalten überschreiten gewaltsam die natürlichen Grenzen des Lebens. Aber der ganze Plan des Romans selbst begreift etwas von dem seltsam krausen Barockwillen der Zeit in sich. Das Bündnis Albano-Idoine ist von Anfang an das naturgegebene. Welch ein Aufwand von Zauberkünsten, Weissagungen, Verwickelungen, Beeinflussungen, um gegen diese naturgegebene Verbindung eine Ehe Albano-Linda durchzusetzen! Auch damit wurde der Nerv dieser spielerischen, die Natur verkünstelnden Zeit getroffen. Im »Wilhelm Meister« setzt die seltsame Turmgesellschaft ihre Pläne durch, im »Titan« wird das naturgegebene Verhältnis hergestellt. Im »Wilhelm Meister« herrscht als künstlerisches Prinzip der Anordnung der Kreis, im »Titan« das musikalische Melos, wird die Entwickelungslinie durch die verschiedenen Gruppierungen der Menschen zueinander weitergeführt. Der Schluß knüpft nicht an den Anfang an, sondern erhebt eine dem Anfang ähnliche Gruppierung auf eine höhere Ebene. Ein einziges Thema: das der Entwickelung des Helden, wird durch alle diese verschiedenen Gruppierungen der einzelnen Gestalten, wie bei einer Fuge, hindurchgetrieben. Diese Gruppierungen entsprechen einander bei stetem Wechsel. Albanos Jugendlehrer, Wehmeier und Falterle, werden abgelöst durch die entsprechenden Schoppe und Augusti. Auch die Geliebten Albanos haben ihre ständigen Begleitfiguren: Liane-Julienne, Liane-Rabette, Linda-Julienne, Idoine-Julienne. Auch die Gegner Albanos wechseln in bestimmter Abstufung. Um Liane bewirbt sich Bouverot, um Linda Roquairol. Der Gegenspieler gegen eine Verbindung Albanos mit Idoine ist von Anfang an Gaspard. In gegnerischer Kunstanschauung stehen sich gegenüber die Gruppen: Fraischdörfer, Gaspard, Luigi, Fürstin und Albano, Schoppe, Dian. Man sieht: mit jeder Weiterentwickelung des Romans verschiebt sich die Perspektive, aber immer wieder zu ähnlichen Gruppierungen und Gegengruppen.
    Bisher haben wir aber erst die Titanen oder die Pseudo-Titanen betrachtet, in denen Jean Paul der Zeit den Spiegel vorhielt. Wo liegen nun aber die wahren Werte der Zeit? Außer bei Albano und Idoine allein bei Dian, das heißt bei Herder. Wenn Gaspard, Luigi und die Fürstin etwa die Welt Goethes und Schillers verkörpern, Roquairol und seine Schwester Liane die Romantik, Schoppe Fichte, so steht Dian für Herder da. »Da er für jedes Individuum, Alter und Volk eine andre gleichschwebende Temperatur annahm und in der heiligen Menschennatur keine Saite zu zerschneiden, sondern nur zu stimmen fand«, heißt es gleich im Anfang von Dian. Es ist eine Charakteristik Herders, die Jean Paul mit diesen Worten gibt, und zugleich setzt er diesen Herderschen Geist der »Einkräftigkeit« der Zeit entgegen. Keine Saite in der heiligen Menschennatur zu zerschneiden, sondern sie alle zum Akkord zu stimmen: das ist gewissermaßen das Ziel, dem Dian den geliebten Schüler zuführt. Was Jean Paul Herder zu verdanken hat, das läßt er seinen Helden dem stillen Griechen Dian verdanken: »Er führte ihn mit begeisterter Ehrfurcht in die heilige Welt des Homers und des Sophokles ein; und ging mit ihm unter die höhern, ganz entwickelten, von einseitiger ständischer Kultur noch unverrenkten, schön gegliederten Menschen dieses Zwillings-Prometheus, die wie Salomo für alles Menschliche, für Lachen, Weinen, Essen, Fürchten ihre Zeit hatten und bloß die rohe Grenzenlosigkeit flohen; die auf den Altären aller Götter opferten, aber auf dem der Nemesis zuerst.« »Er führte ihn nicht in den Steinbruch vor die Kalkgrube und auf den Zimmerplatz der Metaphysik, sondern sogleich in das damit fertiggemachte schöne Bethaus, sonst die natürliche Theologie genannt. Er ließ ihn keine eiserne Schlußkette Ring nach Ring schmieden, sondern er zeigte sie ihm als hinunterreichende

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