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Saemtliche Werke von Jean Paul

Saemtliche Werke von Jean Paul

Titel: Saemtliche Werke von Jean Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Paul
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Brunnenkette, woran die auf dem Boden sitzende Wahrheit herauf-, oder als eine vom Himmel hängende Kette, woran von den Untergöttern (den Philosophen) Jupiter heruntergezogen werden soll. Kurz, das Skelett und Muskeln-Präparat der Metaphysik versteckt er in den Gottmensch der Religion.«
    Das alles ist Herder, das ist die Weltschau, die er in seinen Schriften eröffnet, das ist, was er Jean Paul im Gespräch unaufhörlich mitteilte. Hier war Natur, Harmonie und Ungemeines in Einem. Aus dieser Einstellung ergab sich auch die tiefere und richtigere Einstellung zur Antike, wie sie in Albano unter Dians Leitung während seiner italienischen Reise lebendig werden sollte. Hier ergab sich auch ganz unproblematisches einfaches Menschenglück, wie es in Dians kleinem Häuschen in Lilar heimisch war mit einer liebend ergebenen Frau und heiteren wohlgebildeten Kindern, wie sie das düstere Pfarrhaus hinter dem hohen Kirchendach in Weimar in gleicher Weise beherbergte. Lehre und Leben Herders wurden dem Zeitalter rasender Besessenheit entgegengestellt. Tiefes Vertrautsein mit allen Kulturen und warmes Wurzeln in dem Erdreich eines gesättigten Daseins. Das bedeutet Dian im »Titan«.
    Und es bedeutet zugleich das Lebensziel, dem Albano zureift. Albano ist der Held des »Titan«, also eines Erziehungsromans. Man hat den passiven Charakter eines solchen Helden, nach dem Muster des Wilhelm Meister, als Norm für den Erziehungsroman überhaupt aufgestellt. An dem Helden sollen sich die Bildungserlebnisse auswirken, ihn ausprägen und sich ihm einprägen. Aber es ist nur der Goethesche Erziehungsroman, für den die Forderung dieser passiven Haltung des Helden gilt, wenn es nicht überhaupt mehr eine Entschuldigung als eine Forderung ist. Albano ist nicht passiv. Zwar vollbringt er im Laufe des Romans keine besonderen Taten, aber dennoch handelt er, und immer aus einer großen Seele heraus. Hier offenbart sich vielleicht am deutlichsten der Unterschied zwischen dem Goetheschen Persönlichkeitsbegriff und dem Idealmenschen Jean Pauls. Jean Paul kannte die Gefahr: seine eigene Person seinen Helden zu unterschieben, sie nicht als werdende Tatmenschen, die im Leben stehen sollen, sondern als werdende Dichter darzustellen. In der »Unsichtbaren Loge« wie im »Hesperus« erlag er dieser Versuchung. Weder Gustav noch Viktor erreichen die höchste Stufe lebendiger Tatwirklichkeit. Im »Titan« aber ist der große Wurf gelungen. Albano bildet sich zum ganzen Menschen, zu einem Manne, der zur höchsten und allseitigsten Wirksamkeit berufen ist. Keine Spur davon, daß in ihm ein verkappter Dichter steckt. Auch die im tiefsten Grunde repräsentative Persönlichkeit, die das Bildungsideal Goethes ausmacht, überholt er weit. Albano wird kein Repräsentant der Bildung seiner Zeit. Gerade diese Zeitbildung bekämpfte ja Jean Paul mit aller Kraft. Albano ist die einzige Gestalt innerhalb der abendländischen Literatur, die einer Jugend als allseitiges Ideal eines wirkenden Menschen nahe gebracht ist. Jedes verkappte Literatenideal ist hier überwunden. Durch die Bildung seiner Zeit ist Albano in Schicksal und Wort hindurchgegangen. Völlig gleichgültig ist, was von Wissen an ihm haftenblieb. Seine Kunsturteile mögen im einzelnen vielleicht falsch sein. Niemals aber werden sie dilettantisch werden. Ganze Wissenszweige mögen ihm verborgen geblieben sein. Dennoch ist er ein Herr auch über die Wissenden.
    Gaspard sagt einmal in Rom zu ihm: »Es gibt einige wackere Naturen, die gerade auf der Grenze des Genies und des Talentes stehen, halb zum tätigen, halb zum idealischen Streben ausgerüstet – dabei von brennendem Ehrgeize. – Sie fühlen alles Schöne und Große gewaltig und wollen es aus sich wieder erschaffen; aber es gelingt ihnen nur schwach; sie haben nicht wie das Genie eine Richtung nach dem Schwerpunkt, sondern stehen selber im Schwerpunkte, so daß die Richtungen einander aufheben. Bald sind sie Dichter, bald Maler, bald Musiker; am liebsten lieben sie in der Jugend körperliche Tapferkeit, weil sich hier die Kraft am kürzesten und leichtesten durch den Arm ausspricht. Daher macht sie früher alles Große, was sie sehen, entzückt, weil sie es nachzuschaffen denken, später aber ganz verdrüßlich, weil sie es doch nicht vermögen. Sie sollten aber einsehen, daß gerade sie, wenn sie ihren Ehrgeiz früh einzulenken wissen, das schönste Los vielartiger und harmonischer Kräfte gezogen; sowohl zum Genusse alles Schönen als zur

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