Saemtliche Werke von Jean Paul
entspricht Gaspards Charakter in der weiteren Handlung des Romans. Er will die Begebenheiten einem bestimmten Ziele zubiegen, aber fast scheint ihm das Spiel mit Menschen Bedürfnis. Mit unbarmherziger Kälte schiebt er sie hin und her, sie tanzen an den Fäden, die er in Händen hält. Das Ziel selbst ist reiner Egoismus: Er will seine Nachkommen auf einem Throne sitzen sehen. Mit der gleichen Kälte trennt er sich von seiner Frau, verbirgt er seiner Tochter Linda den Vater, mit der er Bouverots teuflischem Spiel zusieht, das dem Erbprinzen Luigi Gesundheit und Mannheit und fast das Leben kostet. Als er in Rom seine Pläne durch Albano einen Augenblick durchkreuzt glaubt, greift er zur Pistole und würde den Jüngling unbarmherzig niedergeknallt haben, wenn der Irrtum sich nicht im gleichen Augenblick herausgestellt hätte. Das Wohl des Landes ist ihm ein leerer Begriff, Menschheit ein Phantom, dem er nicht opfert. Nur wenig versöhnt mit der Unbarmherzigkeit seines harten Herzens die Kühnheit seiner Pläne und die virtuose Gelassenheit, mit der er die Fäden zu lenken versteht. Goethes Dienst am Weimarer Herzoghause und die Rolle, die Goethe bei dem Streit zwischen dem Herzog und Herder spielte, mag Jean Paul vorgeschwebt haben, wenn er Gaspards Bemühen um den Hof von Hohenfließ darstellt. Nie kommt dem Ritter der Gedanke, die feindlichen Fürstenhäuser durch eine Verbindung zwischen Albano und Idoine zu versöhnen und beiden Ländern den Frieden zu geben. Mit einer ein Leben lang durchgehaltenen Folgerichtigkeit zerstört er die Pläne des ihm verhaßten Hofes von Haarhaar, nur weil dieser ihn in seinem Selbstgefühl verletzt hat. (Das Verhältnis Goethes zu dem Hof von Gotha?) Er kann es über sich gewinnen, der Vertraute der Fürstin zu sein, deren Hand er einstmals erstrebte, nur in dem sicheren Wissen, daß er einmal alle ihre Pläne durchkreuzen wird.
Fürst Luigi, der »ausgebrannte Menschenkrater«, ist Geist von seinem Geiste. Seit seiner Thronbesteigung, und vielleicht früher, weiß er, daß Albano sein Bruder ist. Und dennoch vermag er ihn mit gleichgültiger Kälte zu behandeln. Mit derselben Kälte, mit der er seine Frau, die Fürstin, zum Werkzeug seiner Rache am Haarhaarer Hof macht, einer Rache, die erst wirksam wird, wenn er die Augen schließt, und die er mit grausamer Freude kommen sieht. Ihnen zur Seite steht der Minister Froulay. Auch er hat die kalte und zynische Menschenverachtung zu seinem Lebensprinzip gemacht. Liane modelt er zum willigen Werkzeug seiner Pläne, nicht achtend, daß er sie einem frühen Tode zuführt. Eine Verbindung des engelreinen Geschöpfes mit dem Wüstling Bouverot, den überdies noch das Ordensgelübde zur Ehelosigkeit verpflichtet, ist ihm als Mittel gerade gut genug, um seine zerrütteten Finanzen in Ordnung zu bringen.
Wichtig an dieser Gruppierung ist die Stellung dieser Menschen zur Kunst. Erst dadurch steigern sie sich aus zufälligen Schurken zu einem Lebensprinzip. Erst hier sieht man, worin die »Einkräftigkeit« dieser Menschen besteht. Nicht daß sie Verbrecher sind, ist das Furchtbare an ihnen, sondern daß sie Ästheten sind. Wenn Luigi »mit der Kälte des Galerieinspektors und Anatomikers« seine Antikensammlung betastet, wenn der Kunstrat Fraischdörfer, uns bereits aus der »Geschichte meiner Vorrede« bekannt, sein Gesicht, »wie die Draperie der Alten in einfache edle große Falten« wirft, wem sollte da nicht Jean Pauls erster Besuch bei Goethe einfallen! Mit Spitzen gegen Goethe ist überhaupt die ganze Darstellung gespickt. Wenn Jean Paul von Albano schreibt: »so wollt er künftig wenigstens Minister werden… und in den Feierstunden nebenbei ein großer Dichter und Weltweiser«, so war das ein deutlicher Hieb gegen den Weimarer Heros. Und ebenso die Charakteristik Roquairols: »Er stürzte sich in gute und böse Zerstreuungen und Liebeshändel und stellte hinterher alles auf dem Papier und Theater wieder dar, was er bereute oder segnete, und jede Darstellung höhlte ihn tiefer aus.« Oder jenes kraftvolle Reagieren Albanos auf die Ruinenwelt Roms, in der er nicht begreift, »wie in Rom, im wirklichen Rom ein Mensch nur genießen und vor dem Feuer der Kunst weich zerschmelzen kann, anstatt sich schamrot aufzumachen und nach Kräften und Taten zu ringen«. Hier wird es deutlich, wie er bei diesen ästhetischen Libertins in den Kern der Goetheschen Weltanschauung trifft und wie er mit der Schärfe eines Pamphlets heraushebt, was sich
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