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Saemtliche Werke von Jean Paul

Saemtliche Werke von Jean Paul

Titel: Saemtliche Werke von Jean Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Paul
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Greise. Kaffee und Bier haben seine Organe abgenutzt. Immer unähnlicher wird er den alten Bildern, die es von ihm gibt.
    Und dennoch trug dieser absterbende Baum jetzt erst seine größten und reifsten Früchte. Auch die beiden letzten und entscheidenden Bände des »Titan« muß man zu dieser großen Schaffensperiode rechnen, die er jetzt Schlag für Schlag, wie vor mehr als zehn Jahren die ersten großen Romane und Idyllen von der »Unsichtbaren Loge« bis zum »Siebenkäs«, Werk auf Werk hervorbrachte.
     
    Wie die vier Seiten einer gewaltigen Pyramide türmen sich die vier Werke: Titan, Flegeljahre, Vorschule der Ästhetik und Levana. Im »Titan« hatte Jean Paul mit der Zeit und ihren Überkräften abgerechnet. In den »Flegeljahren«wandte er sich wieder seiner ihm eigentlichen Welt, den Armen und Vertriebenen des Lebens, zu. In der »Vorschule der Ästhetik« setzte er sich ästhetisch mit der Zeit und ihren Überkräften auseinander. In der »Levana« tauchte er in die Welt der Kinderseele hinab, auch hier der Unmündigen und Verkannten sich annehmend. So stehen also »Titan« und »Vorschule« in einer Reihe, »Flegeljahre« und »Levana« in der andern. Aber wiederum war der Erziehungsgedanke im »Titan« die eigentliche Wurzel, derselbe Gedanke, der die »Levana« erfüllte. Also auch »Titan« und »Levana« gehören in eine gemeinsame Reihe. Und die »Vorschule der Ästhetik« enthielt zugleich die Grundlegung des Jean Paulschen Humors, der in den »Flegeljahren« seine herrlichste Frucht treiben sollte. Also wiederum »Vorschule« und »Flegeljahre« stehen in einer gemeinsamen Reihe. Alle vier Werke erst gemeinsam schneiden sich in der Idee des Jean Paulschen Gesamtschaffens.
    Diese vier Werke entstehen infolgedessen auch neben- und durcheinander. Schon in Berlin, vor seiner Heirat, beschäftigte Jean Paul sich mit den »Flegeljahren«, also noch vor dem dritten Bande des »Titan«. Endgültig begann er das Buch dann unmittelbar nach der Beendigung des »Titan«. Aber er hatte kaum die Hälfte der »Flegeljahre« geschrieben, als er den Roman unterbrach, um in raschen Zügen die »Vorschule der Ästhetik« niederzuschreiben, deren Grundgedanken ihn seit fast zehn Jahren beschäftigt hatten. An die »Flegeljahre« und die »Vorschule« schloß sich dann unmittelbar die »Levana« an.
    Aus dem »Titan« kennen wir die Grundideen, die Jean Paul in dieser reichsten Periode seines Schaffens zum Ausdruck bringen wollte. Gegen die einseitig ästhetische Einstellung des Goethe-Schillerschen Kreises und gegen die Überspannung des ästhetischen Gedankens in der Romantik war der »Titan« gerichtet. In den Schicksalen und Charakteren seiner Helden hatte er der die Zeit beherrschenden Ästhetik den Spiegel vorgehalten, in Dian und Albano seine Ideale verkündet. In dem Kernproblem der Zeit: der Ausdeutung der Antike, hatte er die beiden gegnerischen Strömungen in der italienischen Reise seiner Hauptgestalten gegeneinandergesetzt. Genau die gleiche Gedankenwelt treffen wir in der »Vorschule der Ästhetik« an. Was er im »Titan« in Schicksal und Charaktere projizierte, gab er in diesem theoretischen Werk als Grundprobleme der Kunst.
    Man hat gegen die »Vorschule« den Einwand erhoben, daß Jean Paul statt einer Ästhetik nur eine Poetik gibt, das heißt, daß er sich auf die Klarlegung poetischer Probleme beschränkt und die andern Künste kaum vorübergehend berührt. Das ist richtig, aber er gab in seinem Buch doch auch mehr als nur die Grundlegung einer Poetik. Er führte in die Probleme der Kunst überhaupt ein und stellte Kunst, auch wenn er nicht alle ihre Erscheinungsformen berücksichtigte, zum erstenmal allgemein unter die Optik des Lebens und des Geistes. So hatte er ein gewisses Recht, sein Buch eine Vorschule der Ästhetik zu nennen. Eher kann man dem Werk den Vorwurf der Systemlosigkeit machen. Aber gerade in der losen Bindung seiner Einfälle, in der Voraussetzungslosigkeit, mit der er jedesmal neu zum Grund der Erscheinungen niedertaucht, liegt sein Hauptreiz. Und mag sich in den einzelnen Gängen kein geschlossenes System herausentwickeln, so ist es doch eine geschlossene Weltschau, die alle ihre Teile durchdringt. Die Gedankenmassen einer ganzen Zeit und einer unvergleichlich reichen Persönlichkeit werden hier unter wenigen ganz großen Gesichtspunkten neu gruppiert. Dabei kam, wie bereits in früheren Kapiteln, zum Beispiel im Zusammenhang mit Jean Pauls Satirendichtung, hervorgehoben, dem

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